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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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und war doch, wie es immer gewesen war. Forbes Field – wo er so viele Nachmittage mit gekrümmtem Rücken auf der Zuschauertribüne gesessen hatte, in der Sonne gebraten, gejubelt hatte, wenn die Schläger krachten und die Bälle über das weite grüne Feld in die Höhe flogen – gab es nicht mehr. Ein neues Universitätsgebäude, quadratisch und häßlich, erhob sich dort in den Himmel, wo einst der Jubel von Tausenden von Menschen erklungen war. Er blieb kurz stehen und wandte sich der Cathedral of Learning zu, diesem schmalen grauen Monolith – ein Schatten vor dem Nachthimmel –, um die Orientierung wiederzufinden.
    Er ging weiter. Die dunklen Straßen der Stadt entlang, an den Menschen vorbei, die gerade aus den Restaurants oder Theatern strömten, immer weiter. Er dachte nicht wirklich darüber nach, wo er hinging, obwohl es ihm klar war. Er sah, daß dieser Moment, in dem er Caroline seine Tochter übergeben hatte, ihn all die Jahre gefangengehalten, gebannt hatte. Sein Leben drehte sich um diese eine Handlung: das |337| neugeborene Kind in den Armen – und dann reichte er es hinüber, um es wegzugeben. Es war, als hätte er in all diesen Jahren fotografiert, um einem anderen Moment eine ähnliche Bedeutung oder mehr Gewicht zu verleihen. Er hatte versuchen wollen, die dahinrauschende Welt, den Fluß der Ereignisse zu bremsen, aber das war natürlich nicht möglich gewesen.
    Er ging weiter, aufgewühlt, immer wieder mit sich selbst redend. Was so lange in seinem Herzen stillgehalten hatte, war durch die Begegnung mit Caroline wieder in Bewegung geraten. Er dachte an Norah, die eine eigenständige und starke Frau geworden war, die mit einnehmender Selbstsicherheit um Firmengelder warb und nach Wein und Regen riechend von Geschäftsessen wiederkam, Spuren des Lachens, Triumphs und Erfolgs noch immer auf ihrem Gesicht. Sie hatte mehr als eine Affäre gehabt über die vergangenen Jahre, das wußte er, und ihre Geheimnisse, wie sein eigenes, hatten eine Mauer zwischen ihnen gebildet. Manchmal, abends, sah er für den Bruchteil einer Sekunde wieder die Frau in ihr, die er geheiratet hatte: Norah, wie sie den kleinen Paul auf dem Arm hält. Norah, ihre Lippen voll mit rotem Beerensaft, wie sie sich eine Schürze umbindet. Norah als blauäugige Reiseverkehrskauffrau, wie sie nächtelang über ihrer Buchhaltung brütet. Doch diese Seiten hatte sie wie Häute abgelegt, und nun lebten sie wie Fremde zusammen in ihrem großen Haus.
    Paul litt darunter, soviel war klar. David hatte alles versucht, daß es ihm an nichts fehlte. Er hatte versucht, ein guter Vater zu sein. Sie hatten zusammen Fossilien gesammelt, hatten sie sortiert, mit Etiketten versehen und im Wohnzimmer ausgestellt. Wann immer es ging, hatte er Paul mit zum Angeln genommen. Doch sosehr er sich auch anstrengte, Paul ein reibungsloses Leben ohne Probleme zu ermöglichen, es blieb unumstößlich, daß David dieses Leben auf einer Lüge aufgebaut hatte. Er hatte seinen Sohn vor den Dingen bewahrt, |338| unter denen er selbst als Kind gelitten hatte – vor Armut, Kummer und Sorgen. Und doch hatte gerade dieses Bemühen Folgen gezeitigt, die David niemals vorhergesehen hatte. Die Lüge hatte sich wie ein Felsklotz zwischen sie gestellt, war immer weiter gewachsen und hatte sie genötigt, sich selbst unnatürlich zu entwickeln – Bäumen gleich, die sich um Gesteinsbrocken ranken.
    Die Straßen liefen zusammen und trafen in merkwürdigen Winkeln aufeinander, je näher die immer schmaler werdende Stadt der Stelle kam, wo die beiden großen Flüsse, der Monogahela und der Allegheny, sich trafen. Ihr Zusammenfluß formte den Ohio, der bis nach Kentucky und noch weiter floß, bis er sich in den Mississippi ergoß und dort verschwand. David ging bis an den äußersten Rand dieser Stelle. Als junger Mann, als Student, war er häufig hierhergekommen, hatte am Uferrand gestanden und sich angesehen, wie die beiden Flüsse sich vereinten. Ab und zu hatte er hier seine Fußspitzen über die dunkle Haut des Wassers gehalten und sich gefragt, wie kalt dieses Wasser wohl sein könnte, ob er genug Kraft hätte, zu einem der beiden Ufer zu schwimmen, wenn er hineinfiele. Heute, genau wie damals, pfiff der Wind durch den Stoff seines Anzugs, und zwischen seinen beiden Fußspitzen schaute er zu, wie der Fluß sich bewegte. Er trat ein Stück vor und veränderte die Perspektive. Das wäre ein gutes Bild gewesen. Aber er hatte seine Kamera im Hotelsafe gelassen.
    Weit unten

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