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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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ein gelbes Licht tauchten. Die feinen Scherenschnitte bewegten sich sanft.
    Das Fett spritzte, und die Hand des Mädchens schnellte nach oben. Ein paar Minuten lang lag er reglos da und beobachtete sie – jedes Detail stach hervor: die Griffe des schwarzen Herds, die seine Mutter geschrubbt hatte, die abgekauten Fingernägel des Mädchens und der Widerschein der Kerzen in den Fenstern. Sie griff nach Salz und Pfeffer auf dem Regal oberhalb des Herds, und es faszinierte ihn, wie das Licht auf ihrer Haut tanzte, auf ihrem Haar, wenn sie aus dem Schatten heraus und wieder in ihn hineintrat; ihn faszinierte der natürliche Fluß ihrer Bewegungen.
    Seine Kamera hatte er im Hotelsafe gelassen.
    Er versuchte sich aufzurichten, doch wieder hinderten ihn seine Handgelenke daran. Verwundert drehte er seinen Kopf zur Seite: Ein dünnes Halstuch aus Chiffon fesselte ihn an den einen der Bettpfosten, die Schnüre eines Wischmops an den anderen. Sie merkte, wie er sich regte, und drehte sich zu ihm, während sie mit einem Holzlöffel leicht auf die Innenseite ihrer Hand klopfte.
    »Mein Freund wird jeden Augenblick hier sein«, verkündete sie.
    David ließ seinen Kopf dumpf auf das Kissen zurückfallen. Sie war schmal, nicht älter als Paul, vielleicht sogar jünger, und lebte in diesem verlassenen Haus. Die erste gemeinsame Bude, dachte er und machte sich Gedanken über den Freund. Zum erstenmal wurde ihm klar, daß er vielleicht Angst haben sollte.
    »Wie heißt du?«
    »Rosemary«, sagte sie und sah plötzlich beunruhigt aus. »Das können Sie glauben oder nicht«, fügte sie hinzu.
    »Rosemary«, wiederholte er und dachte an einen wohlriechenden Strauch, den Norah an einer sonnigen Stelle gepflanzt |351| hatte, dessen Zweige voller duftender Nadeln hingen. »Ich frage mich, ob du so nett sein könntest, mich loszubinden?«
    »Nein.« Ihre Stimme klang hastig und hell. »Auf keinen Fall.«
    »Ich habe Durst«, sagte er.
    Sie sah ihn einen Moment lang an – ihre Augen waren von einem kirschholzfarbenen Braun, warm und wachsam. Sie ging nach draußen, hinterließ einen kalten Luftzug im Raum, der die Scherenschnitte zum Flattern brachte, und kam mit einem mit Flußwasser gefüllten Metallbecher zurück.
    »Danke«, sagte er. »Aber ich kann nicht im Liegen trinken.«
    Eine Minute lang machte sie noch am Herd herum, wendete die brutzelnden Eier, dann kramte sie in einer Schublade und zog einen Plastikstrohhalm irgendeiner Fastfood-Kette hervor, der an einem Ende leicht verdreckt war. Sie steckte ihn in den Metallbecher.
    »Ich gehe davon aus, daß du ihn benutzen wirst«, sagte sie. »Wenn du wirklich so durstig bist.«
    Er brachte seinen Kopf in Position und sog; er war viel zu durstig, um mehr wahrzunehmen, als daß das Wasser einen staubigen Geschmack hatte. Sie schob das Rührei auf einen blauen Metallteller mit weißen Punkten und setzte sich an den Holztisch. Sie aß schnell und häufte das Rührei dabei mit ihrem linken Zeigefinger gekonnt auf eine Plastikgabel. Als wäre er gar nicht mit im Raum. In diesem Moment begriff er, daß der Freund eine Erfindung war und sie hier allein lebte.
    Er trank so lange, bis der Strohhalm nichts mehr aufsog und das Wasser sich wie ein schmutziger Fluß in seiner Kehle sammelte.
    »Dieses Grundstück gehörte einmal meiner Familie«, sagte er, als er ausgetrunken hatte. »Im Grunde gehört es noch immer mir. Die Übertragungsurkunde ist in einem Safe. Rein rechtlich gesehen, ist das Hausfriedensbruch.«
    |352| Sie lächelte auf seine Bemerkung hin und legte ihre Gabel sorgfältig in die Mitte des Tellers. »Sie sind also hierhergekommen, um Ihren Besitz zurückzufordern? Rein rechtlich gesehen?«
    Das flackernde Licht spiegelte sich kurz in ihrem Haar und auf ihren Wangen. Sie war noch sehr jung, und doch war da etwas Stolzes und Starkes in ihr, etwas Einsames, doch Bestimmtes.
    »Nein.« Er dachte an seinen merkwürdigen Ausflug, der mit einem gewöhnlichen Morgen in Lexington begonnen hatte. Paul, der ewig im Bad gebraucht hatte, Norah, noch vom Kaffeeduft umgeben, wie sie mit dem Scheckbuch gespielt hatte, als sie mit finsterer Miene zum Bankschalter gegangen war, dann die Ausstellung, der Fluß, und nun war er hier.
    »Warum sind Sie dann gekommen?« fragte sie und schob den Teller in die Tischmitte. Ihre Hände waren rauh, ihre Fingernägel abgekaut. Er wunderte sich, wie diese Hände die feinen, komplexen Papierkunstwerke geschaffen haben sollten, die den Raum zierten.
    »Ich

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