Die Tochter des Fotografen
dich an. Und bringst dieses Mädchen mit. Schwanger ist sie, sagst du? Und ich soll sie aufnehmen, ohne groß Fragen zu stellen?«
Hier zuckte das Mädchen und schaute weg, und Pauls Augen wanderten zu ihrem Bauch, der ziemlich flach schien unter dem Mantel. Doch als sie schützend ihre Hand darauf hielt, sah er die leichte Wölbung unter dem Pullover. Er rührte sich keinen Millimeter. Der Streit ging weiter, schien lange zu dauern. Schließlich zog seine Mutter wortlos und mit zusammengepreßten Lippen Decke, Bettlaken und Kopfkissen aus dem Wäscheschrank und warf sie seinem Vater die Treppe herunter, der das Mädchen sehr förmlich am Ellenbogen ins Gästezimmer führte.
|365| Nun schlief sie auf der ausgezogenen Couch, den Kopf zur Seite gedreht, eine Hand lag neben dem Gesicht. Er schaute sie sich genau an, die Art und Weise, wie sich ihre Augenlider bewegten, wie sich ihre Brust langsam hob und wieder senkte. Sie lag auf dem Rücken; ihr Bauch wogte wie eine kleine Welle. Es erregte ihn, und das machte ihm angst. Seit März hatte er sechsmal mit Lauren Lobeglio geschlafen. Sie hatte sich wochenlang bei den Quartettproben herumgedrückt und ihm schweigend zugeschaut: ein hübsches, verdorbenes, unheimliches Ding. Eines Nachmittags war sie geblieben, bis alle anderen Bandmitglieder gegangen waren. Bis nur noch sie beide in der Stille der Garage zurückblieben, das Licht draußen durch die Blätter schien und flackernde Schattenmuster auf dem Betonboden hinterließ. Sie war merkwürdig, aber sexy, mit ihrem langen, dicken Haar und ihren tiefdunklen Augen. Er hatte in dem alten Gartenstuhl gesessen, die Saiten seiner Gitarre gestimmt und sich gefragt, ob er jetzt zu ihr hinüber an die Werkzeugwand gehen und sie küssen sollte.
Aber es war Lauren, die herüberkam. Nicht länger, als ein Herzschlag dauert, und sie stand vor ihm, dann rutschte sie auf seinen Schoß, zog sich den Rock hoch, und ihre weißen, schlanken Beine kamen zum Vorschein. Genau das war es, was Lauren Lobeglio tat, wenn sie jemanden mochte – so zumindest erzählte man sich. Er hatte nie wirklich daran geglaubt, daß es stimmte, doch jetzt saß er da und ließ seine Hände unter ihr T-Shirt gleiten, ihr Körper war warm, ihre Brüste lagen weich in seinen Händen.
Es war nicht richtig, das wußte er. Aber es war, als fiele man in die Tiefe. Wenn man einmal angefangen hatte, konnte man bis zum Ende nicht mehr aufhören. Sie hing weiter bei seinen Proben herum, nur daß jetzt immer eine gewisse Spannung im Raum war. Sobald sie allein waren, ging er zu ihr hinüber und küßte sie und fuhr mit seinen Händen über die weiche, samtige Haut ihres Rückens.
|366| Das Mädchen im Bett seufzte, und ihre Lippen bewegten sich. »Die ist noch minderjährig«, warnten ihn seine Freunde vor Lauren. Vor allem Duke Madison, der letztes Jahr von der Schule gegangen war, um seine Freundin zu heiraten, der kaum noch Klavier spielte. Und wenn er es mal tat, nahm er einen angespannten, gehetzten Gesichtsausdruck an. »Schwänger sie, und du sitzt bis zum Hals in der Scheiße.«
Paul musterte das Mädchen, ihre Blässe, ihr von Klämmerchen zurückgehaltenes dunkles Haar und ihre Sommersprossen. Wer war sie? Sein Vater, methodisch wie immer, berechenbar wie ein tickendes Uhrwerk, war nur drei Tage weggeblieben. Am zweiten Tag hatte seine Mutter die Polizei gerufen, die unbeteiligt und unverbindlich geblieben war, bis man die Brieftasche seines Vaters in der Garderobe des Pittsburgher Museums sowie Koffer und Kamera im Hotel gefunden hatte. Dann erst nahmen sie die Sache ernst. Er war an der Rezeption gesehen worden, wie er mit einer dunkelhaarigen Frau diskutierte. Es stellte sich heraus, daß sie Kunstkritikerin war und ihr Bericht über die Ausstellung nicht sehr schmeichelhaft ausfiel.
Es sei aber nichts Persönliches gewesen, erklärte sie der Polizei.
Und dann hatte er letzte Nacht gehört, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte, und sein Vater war mit einem schwangeren Mädchen ins Haus getreten, von dem er behauptete, er habe sie ein paar Tage zuvor kennengelernt. Ein Mädchen, dessen Anwesenheit er nicht groß erklärte. Sie brauche Hilfe, sagte er knapp.
»Es gibt viele Möglichkeiten zu helfen«, gab ihm seine Mutter zu verstehen und redete über das Mädchen, als stünde sie in ihrem zu großen Mantel gar nicht im Flur. »Du kannst ihr Geld geben. Du kannst sie zu einer Institution für unverheiratete Mütter bringen. Du kannst nicht einfach
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