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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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Hause an.
    »Ich mache mir genug Gedanken um Paul«, sagte sie und fügte scharf hinzu: »Hör zu, Sam, es war mir ernst damit zuletzt. Ruf mich bitte nicht mehr an.«
    »Du bist durcheinander.«
    »Ja. Aber ich meine es, wie ich es sage. Ruf mich nicht an. Nie wieder.«
    Sie legte auf. Ihre Hand zitterte. Sie drückte sie flach auf den Tisch. Pauls Verschwinden kam ihr wie eine Strafe vor – für Davids ewigen Mißmut und ihren eigenen. Das Auto, das er gestohlen hatte, war am Abend zuvor führerlos in einer Nebenstraße in Louisville gefunden worden, doch von Paul fehlte jede Spur. Und so warteten David und sie und streiften hilflos durch die aufgestaute Stille ihres Hauses. Das Mädchen aus West Virginia schlief noch immer auf dem Ausziehsofa im Gästezimmer. David faßte sie nicht an und sprach kaum zu ihr, allenfalls um zu fragen, ob sie etwas brauche. Trotzdem spürte Norah, daß da etwas zwischen den beiden war, eine emotionale Bindung, die lebhaft und positiv besetzt war. Dies traf sie so sehr, wie jede körperliche Affäre sie getroffen hätte, vielleicht sogar mehr.
    Bree klopfte an die Scheibe und öffnete die Tür einen Spalt. »Alles in Ordnung? Neil ist nämlich hier. Von IBM.«
    »Mir geht’s gut«, sagte Norah. »Wie sieht’s bei dir aus? Alles klar?«
    »Es tut mir gut, hier zu sein«, sagte Bree heiter und bestimmt. »Insbesondere bei all dem, was zur Zeit sonst noch passiert.«
    Norah nickte. Zuletzt hatte sie bei allen Freunden Pauls angerufen, und David hatte die Polizei benachrichtigt. Die ganze Nacht bis in den Morgen hinein war sie im Bademantel durchs Haus gewandert, hatte Kaffee getrunken und sich die furchtbarsten Szenarien ausgemalt. Die Möglichkeit, zur Arbeit zu gehen, um zumindest teilweise auf andere Gedanken |385| zu kommen, war für sie befreiend gewesen. »Ich komme sofort«, sagte sie.
    Das Telefon klingelte erneut, als sie aufstand, doch Norah ging mit einem Schub matter Verärgerung durch die Tür. Sie würde sich von Sam nicht beeindrucken lassen, sie würde sich nicht den Termin von ihm versauen lassen, auf gar keinen Fall. Ihre früheren Affären waren anders zu Ende gegangen, ob schnell oder langsam, ob freundschaftlich oder nicht – aber nicht mit diesem unangenehmen Beigeschmack. Nie wieder, dachte sie sich. Wenn das vorüber ist, nie wieder.
    Sie eilte durch den Korridor, doch Sally hielt sie am Empfang zurück und streckte ihr den Hörer entgegen.
    »Da solltest du besser drangehen, Schätzchen.«
    Norah wußte sofort Bescheid; sie nahm den Hörer zitternd entgegen.
    »Sie haben ihn gefunden.« Davids Stimme war ruhig. »Die Polizei hat gerade angerufen. Sie haben ihn in Louisville aufgetrieben. Beim Ladendiebstahl. Unser Sohn ist beim Käseklauen erwischt worden.«
    »Dann geht es ihm also gut«, sagte sie und gab ihren Atem frei, den sie, ohne es zu merken, die ganze Zeit über angehalten hatte. Das Blut floß zurück in ihre Fingerspitzen. Sie war halbtot gewesen und hatte es nicht mal bemerkt.
    »Ja, ihm geht es gut. Offenbar hatte er Hunger. Ich bin gerade auf dem Weg zu ihm. Willst du nachkommen?«
    »Es wäre vielleicht besser. Ich weiß auch nicht, David, aber du könntest den falschen Ton treffen.« Bleib du mit deiner Freundin, wo du bist, hätte sie fast hinzugefügt, doch sie besann sich eines Besseren.
    Er seufzte. »Ich frage mich, welcher Ton wohl der richtige ist, Norah. Das würde ich wirklich gern wissen. Ich bin stolz auf ihn, das habe ich ihm gesagt. Er ist davongelaufen und hat ein Auto gestohlen. Welcher Ton, frage ich mich also, könnte da angebracht sein?«
    |386| Dein Stolz kam zu spät, wollte sie sagen. Und was ist mit deiner Freundin?
    »Norah, er ist achtzehn. Er hat ein Auto gestohlen. Er muß Verantwortung übernehmen.«
    »Du bist dreiundfünfzig«, schoß sie zurück. »Du genauso.«
    Für einen Moment herrschte Stille; sie stellte sich vor, wie er in seinem Büro stand, die Ruhe selbst in seinem weißen Kittel, sein Haar silbern schimmernd. Niemand, der ihn sah, würde sich vorstellen können, in welchem Zustand er nach Hause gekommen war, unrasiert, mit zerrissenen und vor Dreck starrenden Kleidern, ein schwangeres Mädchen mit einem abgewetzten schwarzen Mantel an seiner Seite.
    »Hör zu, gib mir einfach die Adresse«, sagte sie. »Dann treffen wir uns dort.«
    »Er ist auf der Polizeiwache, Norah. Beste Lage. Was denkst du denn, wo er ist? Im Zoo? Aber kein Problem – eine Sekunde, ich geb dir die Adresse,

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