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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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»Daran darfst du nie zweifeln.«
    Paul lachte kurz und scharf. »Nein. Das hört sich zwar schön an, aber es stimmt einfach nicht. Ich bin zu ihm rübergegangen und habe es versucht, ich war bei ihm, habe mit Dad über dies und das geredet, aber mehr war nicht drin. Ich konnte es ihm einfach nicht rechtmachen. Mit einem anderen Sohn wäre er wohl glücklicher geworden.« Seine Stimme war noch immer ruhig, doch Tränen hatten sich in den Augenwinkeln gesammelt und liefen seine Wangen hinab.
    »Schatz. Er hat dich geliebt. Ganz sicher. Für ihn warst du der beste Sohn, den er sich denken konnte.«
    |433| Paul wischte sich unbeholfen die Tränen aus dem Gesicht. Norah spürte ihre eigene Traurigkeit die Kehle emporsteigen, und es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder gefaßt hatte.
    »Für deinen Vater war es unglaublich schwer, sich jemandem zu öffnen«, sagte sie endlich. »Ich weiß nicht, warum. Er ist unter ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und hat sich immer dafür geschämt. Ich wünschte, er hätte sehen können, wie viele Menschen zu seiner Beerdigung gekommen sind, Paul. Hunderte. Für all das, was er in seiner Praxis geleistet hat. Ich habe das Kondolenzbuch dabei, du kannst einmal hineinschauen. Viele Menschen liebten ihn.«
    »War Rosemary da?« fragte er und drehte sich zu ihr um.
    »Rosemary? Ja.« Norah hielt inne und ließ den warmen Windzug sanft über ihr Gesicht wehen. Sie hatte Rosemary kurz nach dem Gottesdienst gesehen, in einem einfachen grauen Kleid in der letzten Reihe sitzend. Ihr Haar hatte sie kurz geschnitten, und sie sah nun älter aus, gesetzter. Als sie aufstand, hatte Norah gesehen, daß sie erneut schwanger war. Rosemary hatte geheiratet und war weggezogen; David hatte immer darauf gepocht, daß nichts zwischen ihnen gewesen war. Tief im Herzen wußte Norah, daß es stimmte. »Sie waren kein Paar«, sagte Norah. »Dein Vater und Rosemary. Es war nicht so, wie du denkst.«
    »Ich weiß.« Er setzte sich aufrecht hin. »Das weiß ich. Rosemary hat es mir erzählt, und ich habe ihr geglaubt.«
    »Tatsächlich? Wann?«
    »Als Dad sie mit nach Hause gebracht hat. Am allerersten Tag.« Er genierte sich nun, doch er sprach weiter. »Ich habe sie manchmal dort getroffen. Wenn ich bei Dad vorbeischaute. Manchmal war Dad gar nicht da, und dann habe ich eine Weile mit Rosemary und Jack zusammengesessen. Man sah, daß nichts zwischen ihnen lief. Ab und zu hat sie jemanden mitgebracht. Manchmal haben wir alle zusammen zu Abend gegessen. Ich weiß auch nicht, es war wohl ein bißchen |434| merkwürdig. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Rosemary war okay. Sie war nicht der Grund, warum ich nie wirklich mit ihm reden konnte.«
    Norah nickte. »Aber du warst ihm wichtig, Paul. Ich weiß genau, wovon ich da spreche, weil auch ich sie gespürt habe, diese Distanz, dieses Abschirmen. Dieses Gefühl, daß da eine Mauer ist, so hoch, daß man sie nicht überwinden kann. Nach einer Weile habe ich es einfach aufgegeben. Und irgendwann habe ich auch nicht mehr länger darauf gewartet, daß ein Fenster oder eine Tür darin erscheint. Doch hinter dieser Mauer – das weiß ich – liebte er uns beide. Ich kann dir nicht sagen, warum, aber ich weiß es.«
    Paul sagte nichts. Hin und wieder wischte er sich eine Träne aus den Augen.
    Es war später Nachmittag, und die Menschen begannen durch den Garten zu spazieren, Pärchen hielten sich an den Händen, man sah Familien mit Kindern und einsame Spaziergänger. Ein älteres Paar kam näher. Sie war groß gewachsen und hatte weiß schimmernde Haare, er ging langsam, leicht gebeugt an einem Stock. Ihre Hand umfaßte seinen Ellenbogen, sie beugte sich zum Sprechen zu ihm hinunter, und er nickte, die Stirn runzelnd, und schaute über den Park, über die Tore hinweg. Norah versetzte es einen Stich, Zeugin dieser Intimität zu werden – irgendwann einmal hatte sie sich vorgestellt, wie sie selbst mit David alt werden würde, wie ihre Lebensgeschichten sich wie Schlingpflanzen miteinander verflechten würden, Triebe von Ranken umgeben, die Blätter miteinander vereint. Ja, sie war schon immer so altmodisch gewesen, sogar ihre Wehmut war altmodisch. Sie hatte sich vorgestellt, daß sie – einmal verheiratet – eine Art Knospe wäre, die vom robusteren, festen Blattwerk der Pflanze sicher umschlossen würde. Das eigene Leben sicher beschützt von einem anderen. Doch statt dessen war sie ihren eigenen Weg gegangen, hatte ihre eigene Firma gegründet, Paul

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