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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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grünen Bohnen im Eßzimmer saßen, zog Phoebe ein kleines Plastikpuzzle aus ihrer Tasche, eines jener Puzzle mit beweglichen quadratischen Plättchen, die jeweils mit einer Nummer versehen waren. Der Sinn des Spiels war es, die Zahlen in die richtige Reihenfolge zu bringen, und zwischen zwei Bissen spielte sie immer wieder daran herum.
    »Das ist hübsch«, sagte Caroline müde und nippte an ihrer Milch. »Wo hast du das her, Schatz?«
    »Von Jack.«
    »Arbeitest du mit ihm?« fragte Caroline. »Ist er neu dazugekommen?«
    |457| »Nein. Ich habe ihn im Bus kennengelernt.«
    »Im Bus?«
    »Mmh. Gestern. Er war sehr nett.«
    »Aha.« Caroline spürte, wie der Augenblick sich zog und all ihre Sinne sich schärften. Sie mußte sich dazu zwingen, ruhig weiterzusprechen, so als ob nichts wäre. »Du hast das Puzzle von Jack?«
    »Mmh. Er war sehr nett. Und er hat sich einen neuen Vogel zugelegt. Den will er mir zeigen.«
    »Tatsächlich?« sagte Caroline, und ein kalter Wind rauschte durch sie hindurch. »Phoebe, mein Engel, es kommt überhaupt nicht in Frage, daß du zu fremden Leuten mit nach Hause gehst, darüber haben wir doch schon gesprochen.«
    »Ich weiß. Das habe ich ihm auch gesagt«, sagte Phoebe. Sie schob das Puzzle beiseite und quetschte noch mehr Ketchup auf ihre Frikadelle. »Er sagte, komm mit zu mir, Phoebe. Und ich habe gesagt, okay, aber ich muß erst meine Mutter fragen.«
    »Keine schlechte Idee«, brachte Caroline so eben noch heraus.
    »Und darf ich? Darf ich morgen mit zu Jack gehen?«
    »Wo wohnt Jack denn?«
    Phoebe zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich seh ihn immer nur im Bus.«
    »Jeden Tag?«
    »Mmh. Darf ich? Ich will den Vogel sehen.«
    »Wie wäre es denn, wenn ich mitkäme?« sagte Caroline vorsichtig. »Wie wäre es, wenn wir morgen zusammen den Bus nehmen? So kann ich Jack kennenlernen, und wir schauen uns zusammen den Vogel an. Was hältst du davon?«
    »Das gefällt mir«, sagte Phoebe erfreut und trank ihre Milch aus.
    Die nächsten beiden Tage begleitete Caroline Phoebe im Bus, doch Jack tauchte nicht auf.
    |458| »Ich fürchte, er hat gelogen, Schatz«, sagte sie zu Phoebe am Donnerstagabend, während sie spülten. Phoebe trug ein gelbes Sweatshirt, und ihre Hände wiesen ein Dutzend kleiner Schnittwunden auf, die sie sich vom scharfen Papier bei der Arbeit zugezogen hatte. Caroline beobachtete sie dabei, wie sie jeden Teller sorgfältig in die Hand nahm und abtrocknete und war erleichtert, daß Phoebe in Sicherheit war. Der Gedanke, daß sie es irgendwann nicht mehr sein könnte, versetzte sie in Schrecken. Wer war dieser Fremde, dieser Jack, und was hätte er mit Phoebe angestellt, wenn sie mit ihm gegangen wäre? Caroline meldete den Vorfall der Polizei, doch sie hatte wenig Hoffnung, daß sie ihn fänden. Letztlich war nichts passiert, und Phoebe konnte den Mann nicht beschreiben, sie wußte nur, daß er einen goldenen Ring und blaue Turnschuhe getragen hatte.
    »Jack ist nett. Er würde nicht lügen«, beharrte Phoebe.
    »Mein Engel, nicht jeder Mensch ist gut oder will das Beste für dich. Er ist nicht wieder im Bus gewesen, wie er dir versprochen hatte. Er wollte dich hereinlegen, Phoebe. Du mußt vorsichtig sein.«
    »Das sagst du immer«, antwortete Phoebe und warf das Trockentuch auf die Spüle. »Das sagst du auch über Robert.«
    »Das ist etwas anderes. Robert will dir nicht weh tun.«
    »Ich liebe Robert.«
    »Ich weiß.« Caroline schloß die Augen und holte tief Luft. »Ich liebe dich, Phoebe. Ich will nicht, daß man dich verletzt. Die Welt ist manchmal gefährlich. Und ich glaube, daß dieser Mann gefährlich ist.«
    »Aber ich bin nicht mit ihm gegangen«, sagte Phoebe und ließ sich von der Strenge und Angst in Carolines Stimme entmutigen. Sie stellte den letzten Teller auf die Spüle und war plötzlich den Tränen nahe. »Ich bin nicht mitgegangen.«
    »Du warst klug«, sagte Caroline. »Du hast das Richtige getan. Geh niemals mit jemandem mit.«
    |459| »Es sei denn, sie kennen das Codewort.«
    »Genau. Und das Codewort ist geheim, das verrätst du niemandem.«
    »Sternenfeuer!« flüsterte Phoebe deutlich und strahlte. »Das ist ein Geheimnis.«
    »Genau das ist es«, seufzte Caroline. »Ein Geheimnis.«

    *

    An den nächsten beiden Tagen brachte Caroline Phoebe zur Arbeit und holte sie dort auch ab. An jenen Abenden saß sie in ihrem Wagen und wartete, sah Phoebe dabei zu, wie sie hinter dem Ladentisch hin und her rannte, wie sie Dokumente

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