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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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war, daß der Truck geradewegs durch die Leitplanke krachte. Ab da weiß ich nichts mehr. Bis ich hier wieder aufgewacht bin. Der Truck ist nur noch ein Haufen Schrott. Ich habe wirklich ganze Arbeit geleistet. Die Bullen meinten, wenn es nur ein paar Meter weiter passiert wäre, gäbe es mich jetzt nicht mehr.«
    Caroline beugte sich nach vorn und legte die Arme um ihn, roch seinen vertrauten Geruch. Sein Herz schlug regelmäßig in seiner Brust. Es war nur ein paar Tage her, da hatten sie sich noch auf der Tanzfläche vergnügt und waren um das Dach und die Regenrinne besorgt gewesen. Sie fuhr mit ihren |462| Fingern durch sein Haar, das am Nacken zu lang geworden war.
    »O Al.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß, Caroline.«
    Neben ihnen, die Augen weit aufgerissen, fing Phoebe zu weinen an und unterdrückte mit der Hand vor dem Mund ihr Schluchzen. Caroline stand kurz auf und legte ihren Arm um sie. Sie strich durch Phoebes Haar und fühlte die Wärme ihres Körpers.
    »Phoebe«, sagte Al. »Sieh sich das einer an, du schwänzt einfach die Arbeit. Wie war dein Tag, Schatz? Bis Cleveland bin ich nicht gekommen, deswegen konnte ich dir die Brötchen, die du so gern magst, leider nicht besorgen. Beim nächsten Mal, okay?«
    Phoebe nickte und wischte mit den Händen über ihre Wangen.
    »Wo ist dein Truck?« fragte sie, und Caroline erinnerte sich daran, wie Al sie auf eine Tour mitgenommen hatte, wie Phoebe hoch zu Roß in der Kabine saß und ihre Faust nach unten zog, wenn ihnen andere Trucks entgegenkamen, damit auch sie ihre Hupe erklingen ließen. »Ich mag deinen Truck.«
    »Der ist jetzt kaputt, Schatz«, sagte Al. »Tut mir leid, aber er ist wirklich in seine Einzelteile zerfallen.«
    Al verbrachte nur zwei Tage im Krankenhaus, dann durfte er nach Hause. Carolines Zeit verging wie im Flug – sie mußte Phoebe zur Arbeit bringen, selbst arbeiten, sich um Al kümmern, für ihn kochen, und so versuchte sie, bei der Wäscherei kürzer zu treten. Spätabends fiel sie erschöpft ins Bett und wachte am Morgen auf, um wieder von vorn anzufangen. Erschwerend kam hinzu, daß Al sich als schwieriger Patient erwies, der über seiner Eingeschränktheit mürrisch, gereizt und fordernd wurde. Das weckte bei ihr schlechte Erinnerungen an die lange vergangenen Tage mit Leo im selben Haus – als ob die Zeit nicht geradlinig verstriche, sondern in Kreisbewegungen ihren Lauf nahm.
    |463| Eine Woche zog ins Land. Es war Samstag, als Caroline erschöpft eine Ladung Wäsche in die Waschmaschine stopfte und in die Küche ging, um für den Abend etwas zu essen zu machen. Sie zog ein Bündel Möhren für einen Salat aus dem Kühlschrank und wühlte im Eisschrank herum, in der Hoffnung, eine Inspiration zu finden. Nichts. Sie könnte eine Pizza bestellen, auch wenn Al das sicher nicht mögen würde. Es war schon fünf Uhr, und in ein paar Minuten würde sie das Haus verlassen müssen, um Phoebe von der Arbeit abzuholen. Sie hielt inne beim Schälen, schaute an ihrem verschwommenen Bild im Spiegel vorbei auf das Foodland-Schild, das rot durch die kahlen Äste der Bäume hindurchleuchtete, und dachte an David Henry. Sie dachte auch an Norah, die auf seinen Bildern ein reines Objekt war, deren Formen wie junge Hügel anstiegen und deren Haar das Bild mit unvorhergesehenem Licht erfüllte. Der Brief des Anwalts steckte noch immer in der Schreibtischschublade. Sie hatte den Termin, den sie vor Als Unfall ausgemacht hatte, eingehalten und war zur imposanten, mit Eichenböden ausgestatteten Kanzlei gefahren, um Einzelheiten zu David Henrys Nachlaß zu erfahren. Das Gespräch spukte ihr die ganze Woche über im Kopf herum, obwohl sie keine Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken oder mit Al zu sprechen.
    Draußen hörte man ein Geräusch. Caroline drehte sich erschrocken um. Durch das Fenster der hinteren Tür erkannte sie draußen auf der Veranda Phoebe. Sie war irgendwie allein nach Hause gekommen und trug nicht ihren Mantel. Caroline ließ das Schälmesser fallen und ging zur Tür, während sie sich die Hände an der Schürze abwischte. Dort sah sie, was man von innen nicht hatte sehen können: Robert stand bei ihr und legte seinen Arm um sie.
    »Was machst du hier?« fragte sie in scharfem Ton und trat hinaus.
    »Ich habe mir heute freigenommen«, sagte Phoebe.
    »Aha. Und wer macht deine Arbeit?«
    |464| »Max ist da. Ich springe dafür Montag für sie ein.«
    Caroline nickte zögernd. »Aber wie bist du nach Hause gekommen? Ich

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