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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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|213| auffordern, ihre Kinder zu öffentlichen Schulen zuzulassen. Ihre Chancen standen nicht schlecht, aber Caroline war trotzdem sehr aufgeregt. Von dieser Entscheidung hing so viel ab.
    Ein Kind kam vorbeigerast, und Doro hielt es sanft an den Schultern fest. Ihre Haare waren schneeweiß geworden und standen in auffälligem Kontrast zu ihren dunklen Augen und ihrer glatten, olivfarbenen Haut. Jeden Morgen ging sie zum Schwimmen, und sie hatte angefangen zu golfen. In letzter Zeit hatte Caroline sie oft beobachtet, wie sie in sich hineingrinste, als ob sie ein Geheimnis hütete.
    »Es ist wirklich sehr nett, daß du heute mitgekommen bist, Doro«, erklärte Caroline, während sie ihren Mantel anzog.
    Doro winkte ab. »Nicht der Rede wert. Ich bin sowieso viel lieber hier, als mich mit den Behörden um die Dokumente meines Vaters zu streiten.«
    Obwohl ihre Stimme müde klang, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
    »Doro, wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich glauben, du bist verliebt.«
    Doro lachte nur. »Bloße Spekulation«, erklärte sie. »Wo du gerade von Liebe sprichst – kann ich davon ausgehen, daß Al heute nachmittag kommt? Immerhin ist heute Freitag.«
    Das Wechselspiel von Licht und Schatten in den Platanen war so beruhigend wie das Plätschern eines Brunnens. Ja, es war Freitag, aber Caroline hatte die ganze Woche über nichts von Al gehört. Für gewöhnlich rief er sie von unterwegs aus an. Seine Telefonate kamen aus Columbus, Atlanta oder sogar aus Chicago. Dieses Jahr hatte er sie zweimal gebeten, ihn zu heiraten; jedesmal schlug ihr, angesichts dieser Aussicht, das Herz bis zum Hals, aber sie hatte stets nein gesagt. Während seines letzten Besuches hatten sie miteinander gestritten – »du hältst mich auf Abstand«, hatte er sich beklagt und war ärgerlich abgezogen, ohne sich zu verabschieden.
    »Al und ich sind nur enge Freunde. Das ist nicht so einfach.«
    |214| »Sei nicht lächerlich«, sagte Doro. »Nichts ist einfacher als das.«
    Also war sie doch verliebt, dachte Caroline. Sie küßte Phoebes weiche Wange und fuhr dann in Leos altem Buick, einem riesigen schwarzen Schiff, davon. In seinem letzten Lebensjahr war Leo gebrechlich geworden. Die meiste Zeit hatte er, ein Buch auf dem Schoß, in einem Sessel am Fenster gesessen und auf die Straße hinausgestarrt. Eines Tages hatte Caroline ihn dort gefunden. Er war in seinem Sessel zusammengesunken. Sein graues Haar hatte von seinem Kopf abgestanden, und seine Haut und sogar die Lippen waren unglaublich bleich gewesen. Er war tot. Schon bevor sie ihn berührte, hatte sie es gewußt. Sie nahm seine Brille ab, legte ihm die Fingerspitzen an die Lider und schloß ihm die Augen. Nachdem sie seine Leiche abtransportiert hatten, setzte sie sich in seinen Stuhl und versuchte sich vorzustellen, wie sein Leben gewesen war: das leise Wiegen der Äste vor dem Fenster, ihre Schritte und Phoebes, die als Geräusche an der Decke zu verfolgen gewesen waren. »Oh, Leo«, sagte sie laut in den leeren Raum hinein. »Es tut mir leid, daß du so einsam gewesen bist.«
    Nach seiner Beerdigung, einer stillen Angelegenheit, von der ihr hauptsächlich Physikprofessoren und Gardenien im Gedächtnis hängengeblieben waren, hatte Caroline Doro angeboten zu gehen. Aber diese wollte nichts davon wissen. »Ich habe mich an dich gewöhnt und daran, Gesellschaft zu haben. Nein, du bleibst. Laß uns erst mal so weitermachen, wir werden sehen, was kommt.«
    Caroline fuhr durch die Stadt, die sie so liebgewonnen hatte, diese harte, ungeschminkte, atemberaubend schöne Stadt mit ihren hochaufgeschossenen Häusern, ihren riesigen Parks und prunkvollen Brücken, deren Ausläufer sich bis in die umliegenden grünen Hügel erstreckten. In einer engen Straße fand sie einen Parkplatz und betrat das Gebäude, dessen steinerne Fassade über die Jahrzehnte vom Kohlenstaub |215| dunkel geworden war. Sie durchquerte die Eingangshalle mit der hohen Decke und dem verschlungenen Mosaikboden und erklomm zwei Treppen. Die hölzerne Tür war nachgedunkelt, besaß ein Fenster aus trübem Glas und trug eine stumpfe Messingnummer: 304B. Sie holte tief Luft – so nervös war sie das letzte Mal bei ihrer mündlichen Prüfung gewesen – und drückte die Tür auf. Die Schäbigkeit des Zimmers überraschte sie. Der große Eichentisch war verkratzt, und die Fenster waren blind, so daß ein graues Licht einfiel. Sandra saß schon mit einem halben Dutzend anderer Eltern aus dem Vorstand

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