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Die Tochter des Fotografen

Die Tochter des Fotografen

Titel: Die Tochter des Fotografen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Edwards
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Dieses Mal würde sie ja sagen. Aber Al sprach nicht. Die Stille währte so lange, daß sie sich schließlich dazu gezwungen sah, sie zu unterbrechen.
    »Das war ein schönes Geschenk«, sagte sie, wobei sie über den mit Gras bewachsenen Platz hinweg in Richtung Phoebe nickte, die mit dem Netz in der Hand herumrannte und große Kreise in die Luft schlug.
    »Das hat ein Kumpel in Georgia gemacht«, erklärte Al. »Er ist der liebste Mensch, den man sich vorstellen kann. Er hatte ein ganzes Bündel davon für seine Enkelkinder geschnitzt. Wir kamen beim Einkaufen ins Gespräch. Er sammelt Kurzwellenradios und hat mich eingeladen, bei ihm vorbeizuschauen, um sie anzusehen. Wir haben die ganze Nacht lang geredet. Das ist das Gute am Wanderleben. Ah, bevor ich es vergesse«, fuhr er fort und griff in seine Hosentasche, aus der er einen weißen Briefumschlag herauszog. »Hier ist deine Post aus Atlanta.«
    Caroline nahm den Umschlag ohne Kommentar entgegen. Er würde mehrere Zwanzigdollarscheine enthalten, sauber in ein weißes, leeres Blatt Papier eingeschlagen. Al brachte diese Umschläge von Cleveland, Memphis, Atlanta und Akron mit, Städten, die er bei seinen Fahrten häufig besuchte. Sie hatte ihm einfach gesagt, daß das Geld für Phoebe war und von ihrem Vater stammte. Al hatte das kommentarlos hingenommen, aber Carolines Gefühle waren vielschichtiger. Manchmal träumte sie, daß sie durch Norah Henrys Haus ging und Sachen von den Regalen und Schränken nahm, die sie in eine Stofftasche packte. Dabei war sie glücklich, bis sie auf Norah Henry traf, die mit abwesendem und unendlich traurigem Blick am Fenster stand. Danach wachte |223| sie jedesmal zitternd auf und bereitete sich einen Tee zu, den sie im Dunkeln trank. Wenn das Geld ankam, trug sie es zur Bank und dachte nicht mehr daran, bis der nächste Umschlag eintraf. Fünf Jahre lang war sie nun schon so verfahren und hatte auf diese Weise fast siebentausend Dollar gespart.
    Phoebe sprang noch immer herum und jagte Schmetterlingen, Vögeln, Lichtstrahlen und Tönen, die aus dem Radio wehten, hinterher. Al suchte einen neuen Sender.
    »Das schöne an dieser Stadt ist, daß man hier wirklich gute Musik findet. Einige dieser Kuhdörfer, in denen ich übernachte, senden nur die Charts. Das ist auf Dauer langweilig.«
    Er begann ein Lied mitzusummen. »Zu diesem Song haben meine Eltern früher getanzt«, erinnerte sich Caroline, und einen Augenblick lang saß sie wieder auf der Treppe vor dem Haus ihrer Kindheit und beobachtete, wie ihre Mutter in einem Kleid, das mit einem Petticoat unterfüttert war, an der Tür Gäste begrüßte. »Ich hatte das fast vergessen. Aber manchmal rollten sie Samstagabend den Teppich im Wohnzimmer auf, luden einige andere Pärchen ein, und dann tanzten sie.«
    »Wir sollten auch mal tanzen gehen«, schlug Al vor. »Gehst du gern tanzen, Caroline?«
    Caroline merkte, wie sich etwas in ihr löste, ohne daß sie die Ursache dafür feststellen konnte. Es mußte damit zu tun haben, daß sich der Ärger von heute morgen legte, und mit diesem vor Leben sprühenden Tag und mit der Wärme von Als Arm neben ihrem. Eine leichte Brise ließ die Blätter der Pappeln auffliegen, und sie enthüllten ihre silbernen Unterseiten.
    »Worauf warten wir noch?« fragte sie im Aufstehen und reichte ihm die Hand.
    Er sah sie ratlos und verwirrt an, stand aber kurz darauf vor ihr, seine Hand auf ihrer Schulter, und dann bewegten sie sich auf dem Rasen zu den dünnen Klängen der Musik und dem |224| Rauschen der Autos im Hintergrund. Sonnenlicht flocht sich in ihr Haar, unter ihren bestrumpften Füßen spürte sie das weiche Gras, und sie bewegten sich so mühelos und einvernehmlich, daß nun jegliche Spannung von Caroline abfiel. Al lächelte und drückte sie fest an sich; auf ihrem Nacken brannte das Sonnenlicht.
    O ja, dachte sie, als er sie wieder herumwirbelte. Ich werde ja sagen.
    Sie freute sich über die Sonne, Phoebes Gelächter wehte zu ihnen herüber, und die Wärme seiner Hand drang durch den Stoff an ihren Rücken. Sie schwebten durch das Gras, drehten sich im Rhythmus, durch die Musik verbunden. Der vorbeiströmende Verkehr war allgegenwärtig und beruhigend wie das Rauschen des Ozeans. Andere Geräusche mischten sich schwach in die Melodie und den strahlenden Tag. Zuerst registrierte Caroline sie nicht. Da drehte Al sie herum, und sie hörte auf zu tanzen. Phoebe kniete im Gras vor den Hortensien. Sie konnte vor Schluchzen nicht sprechen und

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