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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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eingelegter Aal, gerösteter Reiher und so weiter und so weiter … und dazu die köstlichsten Weine aus der Toskana und Ligurien.
    Morozzi jedoch rührte keine dieser Herrlichkeiten an. Weder das Essen noch den Wein. Er berührte nicht einmal den Tisch. Seine Hände waren nicht zu sehen. Vermutlich lagen sie auf seinem Schoß. Ein Teller nach dem anderen wurde vor ihn hingestellt und unberührt wieder abgeräumt. Irgendwann konnte Lucrezia nicht mehr zusehen und unterbrach ihr Gespräch mit Sforza.

    »Ist das Essen nicht nach Eurem Geschmack, Pater?« Ich möchte schwören, dass sie nicht wusste, wer Morozzi war. Ihr genügte, dass er als Gast an ihrem Tisch saß, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Wer auch immer das Glück hatte, an Lucrezias Tafel zu speisen, wird Euch gern bestätigen, dass sie die fürsorglichste Gastgeberin ist.
    Die unschuldige Frage erhöhte Morozzis Unbehagen noch und verführte ihn zu einer vorschnellen, etwas zu lauten Antwort. »Es ist mir unmöglich, so wenige Tage nach dem Hinscheiden unseres geliebten Heiligen Vaters solche Köstlichkeiten zu genießen.«
    Als hätte er einen lauten, stinkenden Furz von sich gegeben, hatte er sich in dieser erlesenen Gesellschaft zum Rüpel gemacht. Um den Tisch herum wurde gekichert. Verlegen sahen alle zur Seite, als ob ihnen der Anblick des Priesters zuwider sei.
    Morozzi errötete, als er seinen Fehler bemerkte. Ich machte die Sache nicht besser, indem ich mich mit Feuereifer auf meinen Teller stürzte, wie es sonst nicht meine Art war. Dabei schmeckte es nicht einmal. Es bestand höchstens die Gefahr, dass man solche Dummheiten am kommenden Morgen bereute oder die Köstlichkeiten wie die alten Römer noch am Abend in die Büsche spucken musste.
    »Ihr müsst das unbedingt versuchen«, sagte ich zu Lucrezia und schob ihr ein Stück Tarte Bolognese auf den Teller. Sie war begeistert und revanchierte sich mit einigen gefüllten Pilzen, die ich ausdrücklich lobte.
    Unter den begeisterten Zurufen der Zuschauer beendete der Schwertschlucker seine Vorstellung. Einige Augenblicke lang herrschte Stille. Dann der klagende, an- und abschwellende
Ton einer Flöte, gefolgt von den rhythmischen Schlägen des Tamburins. Die Musik steigerte sich, und mit einem Mal waren die Tänzer da, liefen leichtfüßig ins Zelt und nahmen ihre Plätze ein, wo jeder sie sehen konnte.
    Es waren ein Dutzend Tänzer, darunter drei Männer mit geschmeidigen und muskulösen Körpern von atemberaubender Schönheit. Die Frauen trugen fast durchsichtige Gewänder. Die Männer dagegen waren nackt bis auf eine winzige Umhüllung aus Kalbsleder, die ihr Geschlecht verbarg.
    Und dann tanzten sie … Wie soll ich es beschreiben? Mit ihren Körpern beschworen sie die Freuden der Verführung, den Augenblick der Hingabe bis hin zum triumphierenden Glück, das unmittelbar folgte. Sie bewegten sich mit einer Kraft, die, wie ich vermute, ein Teil von Gottes Vision für uns Menschen war und völlig getrennt von der alltäglichen Welt existierte. Im Tanz waren sie keine Menschen mehr, sondern erhoben sich weit über alle Sterblichkeit empor, um sich mit der Schöpfung zu vereinen.
    Es war unglaublich … erregend.
    In Anbetracht meiner Verantwortung löste ich hin und wieder meinen Blick und ließ ihn über die Gäste schweifen. Bereits seit Stunden floss der Wein in Strömen, und alle außer Morozzi und mir hatten getrunken.
    Sforza lehnte sich zurück und beobachtete die Vorstellung mit großer Aufmerksamkeit. Sein keuchender Atem ließ mich vermuten, dass er noch heute Nacht seine Geliebte besuchen würde. Madonna Adriana war sanft errötet, Lucrezia zeigte sich etwas ratlos, wie man das von einer Jungfrau erwartete, und Borgia … Il Cardinale lehnte mit beinahe geschlossenen Augen in seinem Sessel, dass mancher
meinte, er sei eingeschlafen. Es dauerte einen Moment, bis ich feststellte, dass er hellwach war. Aber seine Aufmerksamkeit galt nicht den Tänzern, sondern Morozzi.
    Der Priester saß kerzengerade auf seinem Stuhl. Sein Gesicht war gerötet, und er schien … das konnte doch nicht wahr sein? Unter der Tischplatte schienen sich seine Hände hektisch zu bewegen.
    Ich starrte ihn an, verstand erst überhaupt nichts, und dann wollte ich es nicht glauben. Das Feuer des Irrsinns brannte in seinen Augen, als sie meinem Blick begegneten. Ich sah nur pervertierte Leidenschaft und arglistige Bosheit, wie ich sie nie wieder bei einem Menschen gesehen habe. Für Sekunden überkam mich

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