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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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dem der Vizekanzler der Kurie – und womöglich der nächste Papst – eingeladen hatte?
    Die Unverschämtheit war atemberaubend. Selbst einer so weltlichen, blasierten Zuhörerschaft wie dieser stockte der Atem. Alle warteten auf Borgias Strafpredigt, die unweigerlich folgen musste.

    Stattdessen lächelte der Kardinal Morozzi an.
    »Unsinn, mein Sohn. Eine Entschuldigung ist völlig unnötig. Setzt Euch lieber und genießt den Abend!«
    Einen Moment lang wirkte Morozzi verunsichert. Offenbar hatte er auf einen Streit mit dem Kardinal gehofft und schien enttäuscht, als dieser sich nicht darauf einließ. Unter diesen Umständen blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf den Platz zu setzen, zu dem man ihn führte und der zufällig dem meinen genau gegenüberlag.
    Wortlos starrten wir einander an. Falls es Morozzi zuwider war, am Tisch seines Feindes sitzen zu müssen, so ließ er sich nichts anmerken. Das ebenmäßige Gesicht wurde von goldblondem Haar umrahmt. Goldblonde Locken, die ihm jede Frau neidete. Seine Züge waren faltenlos, und sein Lächeln wirkte natürlich und ungezwungen. Er sah wahrhaftig aus wie ein Engel.
    Während ich sein Gesicht betrachtete, überlegte ich, wie alt er wohl war. Meiner Beobachtung nach altern Wahnsinnige langsamer als andere. Für manche ein Beweis, dass sie einen teuflischen Pakt eingehen, um sich ihre Jugend zu erhalten. Ich dagegen glaube, dass den Wahnsinnigen nichts wirklich nahe geht. Ihnen fehlt das Gefühl für Verbundenheit, das unser Bewusstsein bestimmt und die Spuren unseres Lebens, ob gut oder schlecht, in unseren Zügen eingräbt. Diese Ungebundenheit vor allem macht Wahnsinnige in meinen Augen so gefährlich.
    Deshalb ist es so wichtig, nicht auf sie hereinzufallen.
    Ich wandte mich um und sah, dass Petrocchio mit seinem sechsten Sinn Morozzi ebenso im Auge behielt wie ich. Der maestro fing meinen Blick auf. Sekunden später war er an
meiner Seite und beugte sich zu mir herunter, sodass wir leise reden konnten.
    »Wisst Ihr, wer das ist?«, fragte ich und war darauf gefasst, ihm alles Nötige mitzuteilen. Doch wie erwartet wusste Petrocchio wieder einmal mehr als ich.
    »Gerüchteweise habe ich gehört, dass er Innozenz sehr nahe gestanden hat. Er hat sich um die Jungen gekümmert, die für ihn zur Ader gelassen wurden. Was hat er hier zu suchen?«
    »Ich fürchte, das weiß nur Borgia.« Und genau das würde ich bei erstbester Gelegenheit herausfinden, aber zuvor … »Meiner Meinung nach hat der Priester einen Dämpfer verdient. «
    »Mehr als das«, meinte Petrocchio finster, »aber es ist zumindest ein Anfang.«
    Er richtete sich auf und nickte geflissentlich. Inzwischen waren die Gespräche um den Tisch herum wieder in Gang gekommen, doch der maestro sprach so laut, dass alle wieder die Ohren spitzten.
    »Ja, Donna Francesca, selbstverständlich. Wie Ihr befehlt. Wird sofort erledigt.«
    Er eilte davon und schnippte dramatisch mit den Fingern, worauf ihm sofort einige Diener folgten. Kurz darauf wurde ein goldener Teller vor Morozzi auf den Tisch gestellt, darauf eine Auswahl aller Köstlichkeiten, die im Lauf des Abends serviert worden waren, und ein gläserner Kelch mit demselben Weißwein, den auch ich trank. Petrocchio hielt sich im Hintergrund, um sich zu vergewissern, dass der Auftrag zu meiner Zufriedenheit ausgeführt wurde.
    Morozzi erstarrte. Er sah von den Köstlichkeiten zu mir.
Ein besorgter Ausdruck huschte über sein Gesicht. Oder war es Angst? Sicher würde ich nicht wagen, ihn in aller Öffentlichkeit anzugreifen. Nicht vor so vielen Kirchenmännern und vor Borgia persönlich.
    Auf der anderen Seite hatte ich es als Frau gewagt, in die Engelsburg einzudringen und den Papst zu töten, und mir war die Flucht aus der Festung gelungen.
    Nun war es an mir, zu lächeln.
    In diesem Moment begannen die Vorführungen. Zum begeisterten Applaus des Publikums zeigten die Akrobaten ihre Kunststücke. Danach folgten die Jongleure, die einige zahme Affen mit sich führten, und schließlich der Schwertschlucker. Die Affen gefielen mir am besten. Sie waren so auffällig wie reiche Händler kostümiert, von denen sich manche für etwas Besseres hielten, sprangen herum, setzten sich schließlich an einen Extratisch und speisten so sittsam wie Menschen.
    Zwischen den Vorführungen wurde ein Gang nach dem anderen aufgetragen … maccheroni in Kapaunbrühe mit Safran, gebackene Eier mit Spinat, gegrillte Sardinen in Weinblättern, in Wein sautierte Schnecken,

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