Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
benötigt, und ich sollte sie besser gar nicht erst erwähnen.
Nachdem wir Platz genommen hatten, konnte ich Sforza etwas eingehender in Augenschein nehmen, weil er sich gerade mit dem Bischof zu seiner Rechten unterhielt. Mir waren Gerüchte über ein Bankett zu Ohren gekommen, das Seine Eminenz vor einigen Monaten zu Ehren des neapolitanischen Prinzen Ferdinand von Capua in seinem Palast in Trastevere gegeben hatte. Ein opulentes, großartiges Bankett, das jeder Beschreibung spottete. Sicher hatte Borgia das auch gehört. Ob er seinen Konkurrenten an diesem Abend ausstechen wollte?
Der Bruder des Herzogs von Mailand war ungefähr Ende dreißig, doch er wirkte wesentlich jünger. Trotz seines etwas rundlichen Gesichts und des sanften Doppelkinns war er körperlich gesund. Wie man sagte, strebte er die Papstwürde für sich persönlich an, doch nicht einmal die Macht seines Bruders konnte über die Tatsache hinwegtäuschen, dass er noch viel zu jung war, um ernsthaft in Betracht zu kommen.
Die Gefahr, einen zu jungen Mann zum Papst zu wählen, liegt klar auf der Hand. Im Grunde eignet sich auch ein junger Mann – die Befähigung rangiert bestenfalls an zweiter Stelle hinter einer gewissen Gerissenheit. Nein, ein zu junger Papst lebt einfach zu lange und raubt damit den anderen die Möglichkeit, selbst zum Zuge zu kommen. So gesehen
sind die älteren Männer, besonders die Zügellosen, die nicht mehr allzu lange zu leben haben, die besseren Kandidaten.
Mit einundsechzig hätte man Borgia eigentlich längst in Betracht ziehen müssen, aber er war bekannt für eine robuste Gesundheit und kräftiger als viele Männer, die nur halb so alt waren wie er. All das sprach im Grunde gegen ihn.
Inzwischen hatte Sforza seine Aufmerksamkeit der hübschen Lucrezia zugewandt, die unter seinem Blick bezaubernd errötete. Als er sich erkundigte, ob sie Musik liebe, und sie die Frage bejahte, fiel mir ein, dass der Kardinal der Cousin des gegenwärtig unverheirateten Giovanni Sforza und Herrn von Pesaro und Gradara war. Wenn mich meine Erinnerung nicht trog, so war dieser Mitte zwanzig und somit doppelt so alt wie Lucrezia. Selbst für die damalige Zeit war Lucrezia zum Heiraten zu jung. Aber eine Verlobung war sicher möglich – allerdings mit Zustimmung ihres Vaters.
Vermutlich waren eheliche Bande nicht genug, um Sforzas Unterstützung zu gewinnen. Vor allem dann nicht, wenn er die Papstwürde für sich selbst anstrebte. Ich überlegte noch, was Borgia ihm außerdem versprechen könnte, als man uns als ersten Gang Lerchenzungen in Honig servierte.
Da festliche Abende wie dieser den maestri della cucina die Gelegenheit gaben, mit den exotischsten Gerichten aufzuwarten, tat man gut daran, schon etwas zu sich zu nehmen, bevor man sich zu Tisch setzte. Die Lerchenzungen signalisierten, dass es vermutlich mit Gerichten vom Schwan und Schnabelfisch und einem mit Wildbret und Spanferkel gefüllten Eber weiterging, was in dieser Saison besonders beliebt war. Fragt mich bloß nicht, warum. Serviert mir lieber tagtäglich ein Hühnchen. Aber ich schweife ab.
Ich nippte gerade am köstlichen Weißwein, der anlässlich dieses wunderbar warmen Abends nur leicht gekühlt war, als mein Blick zufällig zum Zelteingang wanderte. Ich würde gar zu gern glauben, dass mir der Kelch nur dank meiner starken Natur nicht entglitt, aber es fehlte nicht viel. Ich konnte ihn gerade noch sicher auf den Tisch stellen, während ich wie gebannt zu dem Mann hinüberstarrte, der soeben das Zelt betreten hatte.
Nur wenige Schritte von Borgia entfernt, so nahe, dass er ihn mit Leichtigkeit hätte berühren können, stand Bernardo Morozzi und lächelte. Wie er sich an den zahlreichen Wachen im Palazzo vorbeigeschmuggelt hatte, war mir ein Rätsel.
25
Vor Überraschung schnappte ich nach Luft. Als ich schon im Begriff war aufzustehen, suchte ich Borgias Blick.
Der Kardinal schüttelte unmerklich den Kopf und befahl mir mit einer kleinen Geste, sitzenzubleiben. Ich gehorchte mit größtem Widerwillen.
Sofort ging Morozzi zu Borgias Platz und neigte kaum wahrnehmbar den Kopf.
»Ich entschuldige mich tausendmal, Eure Eminenz, aber die Verspätung war leider unvermeidlich. Ich wurde aufgehalten. «
Mit einem Mal spitzten alle die Ohren, obwohl jedermann so tat, als ob ihn das Gesagte nicht interessierte. Ein kleiner, unbedeutender Priester mit offensichtlich besten Verbindungen wurde »unvermeidlich« aufgehalten und verspätete sich bei einem Essen, zu
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