Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
ein Anflug von Mitleid, der aber sofort in einer Welle von Ekel unterging, als die Intensität seines Blicks den Wunsch nach Gewalt in mir weckte.
Ich wandte mich ab und musste gegen eine starke Übelkeit ankämpfen. Mit zitternder Hand griff ich nach dem Kelch und trank einen Schluck, um mich wieder zu fassen. Ich musste mich ablenken und sah mich unter den anderen Gästen um. Keiner schien bemerkt zu haben, was sich vor aller Augen abspielte, so begeistert waren sie von den Tänzern. Keiner … außer Borgia. Er beobachtete den Priester noch immer unter halb geschlossenen Lidern, während ein kleines Lächeln um seine Lippen spielte.
Die Tänzer beendeten ihre Vorführung, und auch Morozzi kam offenbar zum Ende, obwohl ich nicht sagen konnte, dass er erleichtert gewirkt hätte. Die Tänzer verabschiedeten sich unter dem Beifall des Publikums, und ich atmete einige Male tief ein. Der Priester hatte mich mehr aus dem Gleichgewicht gebracht, als ich wahrhaben wollte.
Seit ich die Konfrontation in der Engelsburg überlebt hatte, hatte ich mich auf ein Gefühl der Zuversicht gestützt, das, wie ich mir eingestehen musste, offenbar nicht von Dauer war. Morozzis Wahnsinn hatte nichts Menschliches an sich und machte sein Verhalten unvorhersehbar. Das war seine Stärke und das größte Hindernis für mich, wenn ich ihn überwältigen wollte.
Die Musik spielte weiter, allerdings deutlich gedämpfter, und die Stimmung änderte sich. Zur Abrundung des Menüs wurde das Dessert serviert, das für eine gute Verdauung sorgen sollte. Neben Tellern voll gezuckerter Mandeln wurde auch eine Auswahl alter Käsesorten und frische Feigen und Orangen gereicht. Außerdem gab es Marzipanküchlein, ein Sorbet mit Rosenknospen und kleine gefüllte Teigröllchen, die hier in Rom cannoli heißen. Normalerweise wäre ich begeistert gewesen, doch an diesem Abend konnte ich den Herrlichkeiten nichts mehr abgewinnen.
Inzwischen war es sehr spät geworden und die Luft merklich kühler, was die Gäste zu neuem Leben erweckte. Morgen würde das Leben wie gewohnt weitergehen, morgen waren sie wieder Rivalen, ja Feinde, doch im Augenblick lachten sie herzlich, als Borgia zum Abschluss des Abends eine kleine Rede hielt. Dass die Freundschaft eines der größten Geschenke Gottes sei und wir unsere Freunde genauso pflegen sollten wie unsere Gärten. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, aber ich hatte den Eindruck, dass es eine gute Rede war.
Während der Kardinal sprach, brachten die Diener Körbchen herein, die aus stabilen goldenen Bändern geflochten waren und sorgfältig ausgewählte Geschenke für jeden Gast enthielten. Zum Beispiel Taschenmesser, die mit Steinen
besetzt waren, Kristallfläschchen mit seltenen Ölen und als große Besonderheit kleine mechanische Vögel, die mit einem Schlüsselchen im Rücken aufgezogen wurden und Flügel und den Kopf bewegten. Sie riefen solches Entzücken unter den Kardinälen und Prälaten hervor, dass sie immer noch damit spielten, als sie sich bereits verabschiedeten und von einem strahlenden Borgia zum Tor begleitet wurden. Der Kardinal wirkte nach dem Essen erfrischt, als ob er die ganze Nacht geschlafen hätte.
Morozzi bekam weder ein Körbchen, noch verabschiedete er sich von seinem Gastgeber. Stattdessen bemühte er sich, im Schutz der Dunkelheit unauffällig zu verschwinden.
Ich sage »bemühte«, weil er von Vittoro verfolgt wurde, der plötzlich aus dem Schatten des Zelts aufgetaucht war, wo er offenbar, wie ich erst jetzt begriff, seit Morozzis Ankunft gestanden hatte. Von diesem Augenblick an war ich beruhigt, weil ich sicher war, dass Morozzi den Palazzo wirklich verlassen würde.
Lucrezia schlief beinahe im Stehen ein, als sie ihren Vater umarmte und sich für den wunderschönen Abend bedankte. Sforza stand unmittelbar hinter ihr. Ich sah, wie die beiden Männer einen Blick austauschten. Und später, nachdem Lucrezia und Madonna Adriana gegangen waren, ging der Kardinal ein paar Schritte zur Seite und wechselte unter den Bäumen einige Worte mit Sforza. Anschließend verabschiedete sich Sforza, und Borgia kehrte ins Haus zurück.
Petrocchio hatte es sich mit einem Glas in der einen Hand und einem Kapaunschenkel in der anderen auf einer Bank bequem gemacht, von wo aus er die Aufräumungsarbeiten überwachte. Ich setzte mich zu ihm.
»Es ist alles bestens gelaufen«, sagte ich.
»Zum Glück, dem Herrn sei Dank. Bis auf diesen Verrückten. Habt Ihr gesehen, was er gemacht hat?«
Ich schnitt
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