Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
ein Theaterstück mit Rollenspiel und falschem Schein verwandelt, das den Pöbel ablenkte, während sie heimlich ihren weltlichen Geschäften nachgingen.
Wo war der Hirte, der solchen Wölfen entgegentrat?
Borgia seufzte tief.
»Wenn Ihr die Absolution wollt, so müsst Ihr es nur sagen.«
»Ihr könnt doch nicht …«
»Aber natürlich kann ich das. Ich bin ein Kardinal der Heiligen Mutter Kirche und habe die Befugnis, Euch von Euren Sünden reinzuwaschen. Oder glaubt Ihr nicht daran?«
In dem Fall reihte ich mich unter die Häretiker ein.
»Ihr müsst nur ein Wort sagen, und es wird Euch vergeben. « Er sah mich ruhig an und wartete.
»Ich kann nicht …«
»Und warum nicht, Francesca?«
Warum konnte ich nicht vor ihm niederknien, meine Sünden bekennen und Gottes Vergebung annehmen?
Eo te absolvo a peccatis tuis, in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.
»Weil ich nichts bedauere. Ich habe Angst, das ja, Angst um meine Seele, aber ich kann Gott nicht für etwas um Verzeihung bitten, das ich nicht wirklich bereue.«
Borgia nickte, als ob ich ihm genau die erwartete Antwort gegeben hätte.
»Gibt es noch einen anderen Grund?«
Es gab einen. Und er bedrückte mich am meisten. Meine Augen brannten. Ich zwinkerte, um die Tränen zurückzudrängen.
»Weil ich wieder töten werde.«
»Morozzi?«
Ich nickte. Wegen meinem Vater, David, Sofia und Benjamin konnte ich nicht zusehen, wie dieser Priester in seinem Wahnsinn fortfuhr. Ich würde nicht ruhen, bevor er tot war.
»Morozzi – aber vielleicht auch andere. Gott weiß, wen. Ich weiß es nicht, jedenfalls noch nicht.«
»Und das macht Euch zu schaffen?« In diesem Augenblick klang Borgia wie ein Priester. Er hatte mir eine Beichte entlockt, die ich niemals hatte ablegen wollen.
»Ja, Eminenz, das macht mir sehr zu schaffen.«
Seufzend beugte er sich nach vorn.
»Kniet nieder, Francesca.«
Verwirrt sah ich ihn an. Er deutete auf den Boden vor seinem Sessel. »Kniet nieder und empfangt Gottes Gnade. Er liebt Euch mehr, als Ihr ahnt.«
Es war der Wein, die späte Stunde, und es war mein Herz, das mich schwer wie ein Stein nach unten zog.
Ich kniete nieder, hob mein tränennasses Gesicht empor und sah, wie Borgia das Kreuz über mir schlug. Wie aus weiter Ferne hörte ich seine Stimme.
»Ich erlöse dich von deinen Sünden – im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
Ich bin schon immer ein Zweifler gewesen. Das ist mein Fluch. Und doch entdeckte ich in dieser dunklen Stunde, bevor die Welt erwachte, eine Wahrheit, mit der ich nicht gerechnet hatte. Ob durch meine eigene tiefe Not oder durch die Gnade Gottes, der sich in diesem sündigen Menschen offenbarte, fand ich Trost und konnte mich dem Akt der Vergebung öffnen.
Ich erhob mich als Borgias Werkzeug, und, wie ich gern glauben wollte, auch als das Werkzeug Gottes.
27
Nach meinem langen Gespräch mit dem Kardinal machte es keinen Sinn mehr, noch zu Bett zu gehen. Stattdessen badete ich, zog mich um und verließ den Palazzo. Da der Hauptmann Borgia nicht allein lassen wollte, befreite er Jofre von seiner Putzarbeit, damit er mich begleiten konnte. Sobald wir das Ghetto betreten hatten, zuckte der arme Junge ständig zusammen und tastete nach dem Schwertgriff, sodass eher ich mich zur Aufsicht über ihn berufen fühlte.
»Keine Sorge«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Ihr braucht Euch nicht zu fürchten.«
Wir kamen nur äußerst langsam voran, da das spanische Edikt demnächst ablief und ständig neue Menschenmengen in die Stadt spülte. Die vermögenderen Flüchtlinge, die etwas Geld oder Schmuck retten konnten, fanden bei den Handelshäusern hinter den hohen Mauern Unterschlupf. Aber für die meisten anderen war die Straße die einzige Zuflucht.
»Wir sind hier in Sicherheit«, wiederholte ich, und genauso fühlte ich mich auch. Für mich war das Ghetto inzwischen eine vertraute Welt. Außerdem war meine Verbindung mit Sofia und David dank so vieler wachsamer
Augen nicht unbemerkt geblieben, und keiner wollte sich den Zorn der beiden zuziehen, indem er uns etwas antat.
Natürlich wusste der arme Jofre nichts davon und starrte mich an, als ob ich verrückt geworden sei. Als er dann auch noch die Menschenmenge erblickte, die sich wie jeden Tag vor der Apotheke versammelt hatte, wich ihm das Blut aus dem Gesicht. Vielleicht wird er ja an der frischen Luft nicht so schnell ohnmächtig, dachte ich und ließ ihn vor der Tür warten.
Ich fand Sofia in
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