Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
dabei nur um reine Freundlichkeiten gehandelt und La Bella hauptsächlich aus Höflichkeit geantwortet hat.«
Ich hatte Orsinis Briefe an Julia gesehen und hielt sie eher für peinlich und etwas traurig. Fürsorglich fragte er nach ihrem Befinden und sagte, dass er hoffe, sie bald wiederzusehen. Außerdem berichtete er von der Jagd, offenbar sein einziger Lebensinhalt, und beklagte seine Einsamkeit. Und das von einem Mann, der in seinem Leben all das erreichen konnte, wovon unsereins nur träumte.
Giulias Antworten blieben ein Geheimnis, da sie keine Abschriften angefertigt hatte. Dafür hatte ich mir die kleinen Geschenke ansehen dürfen, die ihr Mann ihr geschickt hatte: den Ballen eines bestickten Stoffs, der noch unberührt war, ein ungelesenes Gedichtbändchen und wie gesagt, die in Honig eingelegten Feigen, die Giulia besonders gerne aß.
Das Gift befand sich in den Feigen. Zur Vorsicht hatte ich Handschuhe getragen, als ich die Früchte in meinem Arbeitsraum genauer untersuchte. Unter dem hellsten Licht, das ich mit Öllampen und Kerzen erzeugen konnte, entnahm ich der Schachtel mehrere Feigen und öffnete sie. Als ich sie mit Hilfe der Linsen, die mein Vater zum Vergrößern benutzte, betrachtete, erkannte ich winzige weiße Flecken, die jedoch zwischen den Samenkörnern für ein ungeübtes Auge nicht zu erkennen waren. Bei genauerem Hinsehen
entdeckte ich fast unsichtbare Spuren eines sorgfältig zerstoßenen, braunen Pulvers, vermutlich Gänsefingerkraut.
Außer mit Honig waren die Feigen noch mit Safran, Zimt und zerstoßenen Mandelkernen gewürzt. Eine überaus wohlschmeckende Mischung, die ich ebenfalls zu schätzen wusste – und die den Geschmack eines Giftes perfekt überdeckte. Nach dem Inhalt der Schachtel zu urteilen, hatte Giulia drei Feigen gegessen. Noch ein paar mehr, und sie hätte nicht überlebt.
»Und er hat ihr auch Geschenke geschickt?«, fragte Borgia.
»Nur Kleinigkeiten, keine Juwelen oder irgendwelche Besonderheiten.« Fragt mich nicht, warum ich versuchte, seine Gefühle zu schonen. Es ging mir nicht einmal darum, seine Wut zu besänftigen. In diesem Moment hatte ich einfach nur Mitleid mit ihm. Sein melancholischer Blick und das Zittern seiner Hände, als er Wein in unsere Gläser goss, machten deutlich, dass er sehr viel mehr für Giulia empfand. Jedenfalls mehr als nur die fleischliche Lust auf ihren Körper. Dass er, was dieses zarte Band anging, womöglich einen Rivalen hatte, machte ihm sichtlich zu schaffen. Noch dazu, weil dieser Mann als Giulias Ehemann legal und moralisch zu diesen Gefühlen berechtigt war.
»Und trotzdem«, fuhr Borgia fort, »glaubt Ihr nicht, dass Orsini für den Anschlag verantwortlich ist?«
Das war der springende Punkt. Der Kardinal war bei seiner Wahl auf die Unterstützung der Orsinis angewiesen. Wenn sie ihm jedoch die Gefolgschaft aufkündigten oder einer in der Familie ihn hinterging und eigene Interessen verfolgte, musste er das wissen.
Ich hingegen war überzeugt, dass weder das eine noch das andere zutraf.
»Ich halte das Ganze eher für einen gezielten Versuch, einen Keil zwischen die Orsinis und Euch zu treiben«, erklärte ich. Ganz nebenbei war es auch der Versuch, einen Keil zwischen Borgia und mich zu treiben, aber so weit mochte ich in diesem Moment noch nicht gehen. Ich hoffte vielmehr, dass der Kardinal diesen Schluss von sich aus zog.
»Orsini hat mindestens einen Brief pro Woche an Giulia geschrieben«, sagte ich. »Sie wurden immer von einem Boten in der Livree der Orsinis im Palazzo abgeliefert. Wer das Haus beobachtete, konnte das leicht feststellen. Der Brief, der zusammen mit den Feigen kam, scheint echt zu sein, aber von dem Geschenk ist nirgends die Rede. Ich vermute, dass die vergifteten Feigen von demselben Mann hinzugefügt wurden, der auch den Platz des Boten einnahm.«
»Und das war vermutlich …?« Den Rest ließ er ungesagt.
»Die Magd, die dem Boten die Sachen abnahm, ist ein junges Ding und durch die Ereignisse sehr durcheinander. Ich musste sie erst einmal beruhigen, bis sie mir den Boten beschreiben konnte. Oder das, woran sie sich erinnerte.«
Es hatte fast eine Stunde gedauert und mehrere Gläschen Branntwein erfordert, bis sie endlich aufhörte zu weinen und vernünftig antworten konnte.
»Sie beschrieb einen großen Mann mit blonden Locken, der sehr gut aussah.«
Borgia warf sich gegen die Lehne des Sessels. Seine Augen lagen im Schatten, doch ich erspähte, dass sie funkelten. Trotz der
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