Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
erinnern, was ich über Maffeo Gherardo wusste. Er war inzwischen so alt, dass jeder bei
der Erwähnung seines Namens mit einem erstaunten Ausruf reagierte und sich wunderte, dass er noch am Leben war. Falls mich die Erinnerung nicht trog, so war er inzwischen über achtzig. Er hatte länger auf den Kardinalshut warten müssen als alle anderen und war erst in den letzten Lebensjahren von Papst Innozenz ernannt worden. Dass er in seinem Alter überhaupt die beschwerliche Reise wagte, überraschte mich, und noch mehr, dass er davon ausging, bei guter Gesundheit, wenn auch verspätet, in Rom anzulangen. Wie dem auch sei, jedenfalls war ich über den Aufschub sehr erleichtert und ging davon aus, dass ich noch so lange lebte, um großen Nutzen daraus zu ziehen.
»Falls es Morozzi gelingen sollte, mich aus Eurem Dienst zu entfernen« – wie wunderbar ich doch meine Gefangennahme und möglichen Tod umschrieb –, »so brächte ihn das seinem Ziel sehr viel näher.«
»Ihr denkt also, dass Ihr ihn aufhalten könnt?«
Dachte ich das? Bisher war mir der Wahnsinnige immer einen Schritt voraus gewesen. Aus der Engelsburg waren wir nur durch Vittoros Hilfe und etwas Glück entkommen. Ich ging davon aus, dass ich seinen Plan mit Torquemada durchschaut hatte. Aber was, wenn ich mich irrte? Was, wenn er etwas ganz anderes vorhatte, um Borgias Wahl zu verhindern? Einem so wirren Geist zu folgen, war einfach unmöglich. Ich konnte meinen Blick nur auf das endgültige Ziel richten. Auf Borgias Ernennung zum Papst. Danach war genügend Zeit, um mit Morozzi abzurechnen. Inzwischen stand auf dieser Rechnung auch Giulias Kind.
»Ich muss es zumindest versuchen«, sagte ich. »Um unser aller Wohlergehen willen müsst Ihr mir das erlauben.«
Borgia zu sagen, was er zu tun hatte, war vermutlich nicht der klügste Weg, aber ich stand unter Druck und war zu keinerlei verbindlichen Äußerungen fähig. Ich erwartete, dass er losbrüllte, die Wachen rief.
Einige Sekunden lang sagte Borgia kein Wort, sondern lehnte sich zurück und schien in Gedanken versunken. So müde und bekümmert hatte ich ihn noch nie erlebt. Als ich mich schon fragte, ob ich überhaupt eine Antwort erhalten würde, hörte ich aus dem Schatten neben der Tür eine vertraute Stimme.
»Sie hat recht, und Ihr wisst das«, sagte Cesare, als er in den Lichtschein der Lampe trat.
31
Obwohl Borgias ältester Sohn noch immer für die kirchliche Laufbahn vorgesehen war, war er in dieser Nacht für den Kampf gerüstet. Den Helm trug er unter dem Arm, den Brustpanzer aus gehämmertem Stahl hatte er anbehalten. Ebenso das Schwert, das um die Taille gegürtet war. Es war ein Schwert ohne jede Verzierung. Eine Waffe, die zum Töten gedacht war. Unter seiner Rüstung trug er ein doppeltes Wams und eine eng anliegende Kniehose, um sich im Gefecht frei bewegen zu können. Wenn es Cesare Borgia beliebte, konnte er sich ebenso gut in prächtige kirchliche Gewänder kleiden, doch in der Zeit, in der ich ihn kannte, trug er lieber die Rüstung, für die er geboren war. Die Rüstung eines Kriegers.
Offenbar hatte Borgia seinen Sohn erwartet. Er bedeutete Cesare, neben mir Platz zu nehmen, füllte ein weiteres Glas und schob es ihm hin.
Cesare trank einen Schluck und wischte sich über den Mund. »Ich habe Eure Botschaft erhalten und bin mit dreihundert Soldaten von Siena nach Rom marschiert. Zweihundert weitere kann ich jederzeit mobilisieren. Fünfzig befinden sich hier im Palazzo, die übrigen schwärmen in
die Stadt aus und suchen den verrückten Priester. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten von ihm?«
Obwohl mich die Vorbereitungen für eine gewaltsame Auseinandersetzung nicht überraschten, im Gegenteil, ich war erleichtert, fürchtete ich mich vor dem, was sich da zusammenbraute.
»Bisher noch nicht«, antwortete Borgia. »Aber es ist etwas anderes geschehen.«
Mit ruhiger Stimme erläuterte Borgia seinem Sohn die Ereignisse der letzten Stunden. Ich saß stocksteif auf meinem Stuhl und wartete auf die Vorwürfe, die Cesare zweifellos erheben würde. Obwohl er immer wieder zu mir herübersah, sagte er kein Wort, bis sein Vater geendet hatte.
»Es tut mir sehr leid wegen des Kindes«, sagte Cesare schließlich auf trocken-männliche Art, aber zu meinem Versäumnis äußerte er sich nicht. Offenbar war ihm die aktuelle Lage wichtiger. »Morozzi weiß inzwischen sicher, dass wir ihn suchen. Wohin könnte er sich flüchten?«
»Er wird bei Torquemada unterkommen«, antwortete
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