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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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Lager wand … den Jungen, der mir seinen misshandelten Arm entgegenstreckte … den Mann auf der Pritsche und die rasche Bewegung, die ihm den Saft des Lebens raubte … den Spanier mit schwarzem Schaum auf den Lippen … meinen leblosen Vater, der mit zerschmettertem Schädel auf dem Pflaster lag …
    »Francesca …«
    Ich befand mich wieder hinter der Mauer, sah das Blut strömen und fühlte, wie die Welt sich drehte und in den Abgrund stürzte.
    Der Blutgeruch verging, und ich roch wieder die Kerzen … viele, unendlich viele Kerzen, viel mehr als in diesem Raum, in dem ich saß, ohne ihn wahrzunehmen. Stattdessen erblickte ich ein Meer von flackernden Kerzen, und von ferne drangen Gebetsgesänge an mein Ohr.
    Ich lag auf den Knien und blickte zu der Statue einer Frau empor, die mit gerunzelter Stirn auf mich hinuntersah, als ob ich sie erzürnt hätte.
    »Um Himmels willen, Francesca!«
    Ein Hauch von Kampfer hing in der Luft. Ich drehte
mich um und sah, wie der gefallene Engel Morozzi mich anstarrte.
    »Signorina Giordano?«
    »Ja?«
    Cesare kniete neben mir, hielt meine Schultern umfasst und schüttelte mich. »Francesca, geht es Euch gut?«
    Ich zwinkerte ein paarmal und sah, dass Vater und Sohn mich besorgt anstarrten. Meine Kehle war wie ausgedörrt. Ich konnte kaum sprechen, und als ich es tat, klang meine Stimme hoch und dünn.
    »Es geht mir gut.« Das war gelogen. Meine Alpträume waren schon schlimm genug. Aber diese Visionen – ich denke, dass man sie so nennen kann – konnte man damit nicht vergleichen. Jeder hat hin und wieder schlechte Träume. Aber aus dieser Welt herausgerissen und mit einer völlig anderen Wirklichkeit und ihren Erscheinungen und Geräuschen konfrontiert zu werden … ich konnte sie sogar riechen und schmecken.
    Rocco sagte, dass es Gottes Wille war, dass ich das Böse und somit Innozenz ausgerottet habe. Ich möchte ihm das nur zu gern glauben, doch ich spüre, dass die Dinge anders liegen. Weshalb sollte sich der Allmächtige angesichts all der Seelen ausgerechnet für eine so verderbte wie meine entscheiden? Ihr werdet einwenden, dass Jesus auch der Hure Maria Magdalena die Hand gereicht hat. Doch wenn man der Kirche glauben darf, so hat sie nur mit vielen Männern das Bett geteilt. Ich dagegen habe getötet. Bin ich dann nicht die größere Sünderin?
    »Das ist nicht wahr«, stellte Borgia fest. »Das alles war einfach zu viel für Euch. Ich hätte es wissen müssen.«

    »Nein!« Ich sprang so schnell auf, dass Cesare ebenfalls hochschrak. Die plötzliche Bewegung ließ mich schwindeln, doch ich achtete nicht darauf. »Sagt nicht, dass das alles zu viel für mich sei, dass ich unfähig sei, meine Pflicht zu tun!«
    Vor allem aus seinem Mund wollte ich nicht hören, dass etwas mit mir nicht stimmte, dass eine Krankheit die Erklärung dafür war, dass ich manchmal nicht ich selbst war und zu jemandem wurde, der plötzlich geschärfte Sinne hatte und von Blut magisch angezogen wurde.
    Solche Sätze verliehen meiner tiefsten und geheimsten Angst Ausdruck. Einer Angst, die mit jedem Tag stärker wurde … dass ich nicht nur durch meine Taten, sondern durch die dunkle Natur meiner Seele verdammt war. Ein Makel, von dem mich selbst die Absolution der Heiligen Kirche nicht reinwaschen konnte.
    Bevor die Angst endgültig die Oberhand gewann, räusperte ich mich und zwang mich, ruhig zu sprechen.
    »Mit mir ist alles in Ordnung. Es geht mir wirklich gut. Allerdings sollten wir hier nicht länger herumsitzen und reden, während Morozzi ungestört seine Schandtat vorbereiten kann.«
    »Hunderte meiner Soldaten durchstreifen die Stadt«, erwiderte Cesare. »Zusätzlich zu den Spionen meines Vaters. Was, glaubt Ihr, könnten wir da noch ausrichten?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand ich, »aber vier zusätzliche Augen und Ohren können nicht schaden.« Und aus einem Impuls heraus und weil mir nichts anderes einfiel, sagte ich: »Wir fangen mit der Basilika an.«
    »Warum gerade dort?«, wollte Borgia wissen.
    Ja, warum? In meinen Träumen hatte ich die ganze Stadt
durchwandert, um zu entscheiden, wo der wahnsinnige Priester zuschlagen könnte, und letztlich hatte ich wieder vor dem Altar der heiligen Katharina gekniet. Wie damals, als mir der verrückte Priester in den Petersdom gefolgt war. In ihrem Zwiegespräch mit Gott hatte die Heilige Visionen von Himmel, Hölle und dem Fegefeuer gehabt. Meine Visionen dagegen, falls es überhaupt welche waren, schienen von eher irdischer Natur

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