Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
zu sein.
»Weil Torquemada behauptet hat, dass das heilige Kind von La Guardia auf einem Hügel gekreuzigt wurde«, erinnerte ich ihn. »Falls Morozzi in Rom eine Nachahmungstat plant, so steht ihm mit dem Kapitol, dem Palatin, dem Aventin oder auch anderen eine ganze Auswahl an Hügeln zur Verfügung. Jeder hat eine mehr oder weniger große Bedeutung für die Römer, der Vatikan wurde ebenfalls auf einem Hügel erbaut. Außerdem ist Morozzi Priester. Für ihn kann es keinen bedeutungsvolleren Ort als den Felsen des heiligen Petrus’ geben.«
Cesare schien nicht überzeugt zu sein.
»Am liebsten würde ich Torquemada aus dem Bett zerren und sehen, was wir aus ihm herausquetschen können.«
»Ein verlockender Gedanke …«, sagte Borgia, beließ es aber dabei. Dann sah er mich an.
»Wie Ihr wisst, stehen im Vatikan und in der Basilika überall Wachen. Wie sollte Morozzi da ungehindert an ihnen vorbeispazieren?«
»Das weiß ich nicht«, räumte ich ein. »Ich weiß nur, dass er sich am Altar der heiligen Katharina urplötzlich in Luft aufgelöst hat. Ich denke, das ist ein guter Ort, um mit der Suche zu beginnen.«
»Wenn er sich in Luft auflösen kann, ist er vielleicht doch eher ein Teufel als ein Mensch.« Instinktiv bekreuzigte sich Cesare.
»Nimm das hier.« Borgia nahm das goldene Kreuz ab, das er unter dem Hemd trug, und reichte es ihm. Er kannte seinen Sohn sehr gut.
Cesare legte sich das Kreuz sofort um den Hals. Auch wenn sein Glaube vom kirchlichen Dogma abwich und stärker war als meiner, hatte er ihm bisher nicht viel genutzt.
»Begleite sie und lasse sie nicht aus den Augen«, befahl Borgia und erhob sich mit neuer Kraft von seinem Sessel. »Finde Morozzi, wenn möglich lebendig, oder töte ihn, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Aber stelle sicher, dass er mir keine Scherereien mehr macht.«
Zum Zeichen seiner Zustimmung neigte Cesare den Kopf, während er sich den Helm aufsetzte. Mit einer Hand auf dem Kruzifix und der anderen auf dem Schwertgriff machte er kehrt und verließ das Zimmer.
Ich wollte ihm gerade folgen, als Borgia mich aufhielt. »Was habt Ihr gesehen, Francesca?«, fragte er so leise, dass ich einen Augenblick lang nicht sicher war, ob er überhaupt etwas gesagt hatte.
Ich drehte mich um und tat völlig unschuldig, obwohl mein Herz bis zum Hals klopfte.
»Wann, Eminenz?«
»Gerade eben, als Ihr kurze Zeit nicht bei uns wart. Welche Vision hattet Ihr?«
Ich atmete langsam aus. Er hatte mich sehr genau beobachtet. Hoffentlich hatte er nicht zu viel gesehen.
»Bei allem Respekt«, sagte ich, um nicht allzu belehrend zu klingen. »Nur wer vor den Augen des Herrn Gnade findet, darf hoffen, hinter den Schleier dieser Welt zu blicken.«
Ein leises Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Ich hatte ihn keine Sekunde lang getäuscht.
»Und daran glaubt Ihr?«, fragte er.
»Lehrt uns das nicht die Heilige Kirche?«
»Und die Heilige Kirche irrt sich nie, nicht wahr?«
Eine Motte ließ sich vom flackernden Licht ins Zimmer locken und flatterte mehrmals so nah um die Kerzenflamme, dass ich schon glaubte, sie hätte sich die zarten Flügel versengt.
»Ihr seid besser geeignet, diese Frage zu beantworten, als ich, Eminenz.«
»Eigentlich ja, Francesca«, sagte er leise. »Ich habe Euch schon als Kind gekannt und hier im Palazzo aufwachsen sehen. Ich habe Eure besonderen Gaben erkannt und, lasst es mich so sagen, Eure Verletzlichkeit bemerkt. Doch Euer Wesen, so muss ich gestehen, verwirrt mich ein wenig.«
»Dafür gibt es keinen Grund.« Ich erschrak, als mir klar wurde, wie genau er mich all die Jahre beobachtet hatte. »Vor allem bin und bleibe ich Eure treue Dienerin.«
Bevor er etwas erwidern konnte, fügte ich noch hinzu: »Falls es Euch beliebt, könntet Ihr mir einen Gefallen tun: Schickt jemanden in die Werkstatt des Glasbläsers Rocco Moroni in der Via dei Vetrai. Er hatte geschäftlich mit Morozzi zu tun und kann uns vielleicht weiterhelfen.«
Hoffentlich kam Rocco ein Besuch so kurz vor Tagesanbruch nicht allzu ungelegen, aber er würde für die Dringlichkeit Verständnis haben. Falls sich Morozzi doch nicht
dort aufhielt, wo ich vermutete, musste ich das so früh wie möglich erfahren.
»In Ordnung«, sagte Borgia. Einen Moment lang sah es so aus, als ob er noch etwas hinzufügen wollte, aber ich kam ihm zuvor und bedankte mich. Hastig verließ ich das Arbeitszimmer und eilte über die breite Treppe in die Nacht hinaus.
Cesare wartete im Hof. Unruhig wie
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