Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
ein wunderschönes wildes Tier lief er auf und ab und konnte gar nicht erwarten, dass die Jagd endlich begann.
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Angeblich wurde Rom auf sieben Hügeln erbaut. Heutzutage jedoch scheint nur noch das Kapitol ein wirklicher Hügel zu sein. Alle anderen wurden praktisch verkleinert, indem man die früheren Sumpfgebiete dazwischen trockengelegt und bebaut hat. Doch lange bevor Christus auf Erden wandelte und es eine Heilige Kirche gab, existierte noch ein achter Hügel, den die Menschen, die vor den Römern hier siedelten, Vaticum nannten. Genau dort, wo böse Geister den Eingang zum Hades bewachten, der verrückte Nero seine Wagenrennen und Hinrichtungen feierte und die Armen ihre Toten begruben, wurden in einem der bescheidenen Gräber die sterblichen Überreste des Apostels Petrus, des Gefährten und Schülers Unseres Herrn, nach seiner Kreuzigung beigesetzt.
Man erzählt sich, und ich sehe keinen Grund, das nicht zu glauben, dass die Anhänger des Apostels vom ersten Tag an sein Grab besuchten und darüber wachten. In der Folge bestatteten sie ihre eigenen Toten in der Nähe des Apostelgrabs und setzten alles daran, dass die Stätte nicht verwüstet wurde.
Vor mehr als tausend Jahren hat Kaiser Konstantin Aufzeichnungen
hinterlassen über eine Kirche, die er in Form einer altrömischen Basilika auf dem Hügel hatte errichten lassen, um das Grab des Apostels zu schützen. Es heißt, dass der Kaiser zahlreiche christliche Gräber zerstören ließ, um mit diesem Bauwerk seine Größe und die Stärke seines Glaubens zu untermauern. Die Gebeine der Gläubigen soll er den Wölfen zum Fraß vorgeworfen haben. Aber darüber spricht man besser nicht.
Es genügt, wenn man weiß, dass aus seiner Vision dieses mächtige, heute bröckelnde Gebäude entstanden ist, das uns zu erschlagen droht.
Cesare und ich durchquerten die Vorhalle, vorbei an dem Navicella-Mosaik, und betraten das Kirchenschiff. Trotz der späten Stunde waren wir in der riesigen Halle nicht allein. Neben den bewaffneten Garden, die uns vom Palazzo hierherbegleitet hatten, waren an allen Toren vatikanische Wachen aufgestellt worden. Unsere Ankunft erregte zwar einiges Aufsehen, aber Borgias Farben wirkten einschüchternd auf die Bewacher, die uns sonst vermutlich angesprochen hätten.
Im Inneren der Basilika brannten die Kerzen der Gläubigen und die vielen ewigen Lichter über den Altären entlang der Seitenschiffe. Trotzdem war es so dunkel, dass wir ohne die Fackeln unserer Begleiter nur einige Meter weit hätten sehen können.
»Dort habe ich gekniet.« Ich wies auf den Seitenaltar der heiligen Katharina. »Morozzi war dort.« Ich deutete nach hinten links.
»Habt Ihr gesehen, wo er herkam?«, fragte Cesare.
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich hatte das Gefühl, dass er mir vom Palazzo aus gefolgt war. Aber gesehen habe ich ihn erst, als er hier stand.«
»Wie lange habt Ihr mit ihm gesprochen?«
»Nur ein paar Minuten. Ich sah einen Moment lang weg, und als ich mich wieder umdrehte, war er plötzlich verschwunden. «
»Jeder kann sich in diesen Schatten verstecken.« Es schien, als wollte sich Cesare das einreden, während er noch immer das Kreuz umklammerte.
»Als ich hier gekniet habe, war es heller Tag.« Ich sah zu den Gadenfenstern unter dem Giebeldach empor. Bei Tag fiel so viel Licht herein, dass der Innenraum der Basilika zum größten Teil gut zu erkennen war.
Cesare sah sich verunsichert um.
»Aber wohin hätte Morozzi denn verschwinden können?«
»Unter uns befinden sich die Grundmauern der Basilika«, erklärte ich. Mein Vater war früher einmal dort unten gewesen und hatte mir das Labyrinth der Räume, Gänge und Schuttberge anschaulich beschrieben, auf denen Kaiser Konstantin später die Basilika erbaut hatte.
»Vielleicht hat er sich ja dort unten versteckt«, fügte ich hinzu. Doch es war mir ein Rätsel, wie er so schnell verschwinden konnte.
»Oder er hat sich einfach in Luft aufgelöst«, bemerkte Cesare. »Als Abgesandter des Teufels hat er vielleicht solche Fähigkeiten.«
Damit wäre Morozzi unbesiegbar. Das konnte ich genauso wenig akzeptieren, wie ich zulassen konnte, dass Cesare sich vor dunklen Mächten fürchtete.
Ich versuchte, ihm zuzureden.
»Falls er wirklich ein Teufel ist, dann erklärt mir, wie er an einen solch heiligen Ort gelangen konnte? Er wäre doch auf der Schwelle niedergestreckt worden.«
»Nicht, wenn er das Weihwasser meidet«, erklärte Cesare in vollem Ernst. »Solange er damit nicht in
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