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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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bewegen konnte, ohne mich vor Spott oder Belästigungen fürchten zu müssen.
    Als letzten Schritt versteckte ich meine Haare unter einem Filzhut mit breiter Krempe. Mit ein paar Nadeln war das nicht weiter schwer. Ein Blick in den Spiegel bestätigte, dass man schon sehr genau hinsehen musste, um mich nicht für einen schlanken jungen Kerl zu halten, einen Lehrling oder Diener vielleicht, der im Auftrag seines Herrn Besorgungen erledigte.
    Sobald der Gang verlassen war, schlüpfte ich hinaus und eilte zur geheimen Treppe an einer der Außenmauern. Kurz darauf erreichte ich wieder die schmale Tür, durch die ich nach dem Überfall in den Palazzo zurückgekehrt war. Wie beim letzten Mal sah mich auch heute niemand.
    Trotz meiner Verkleidung bemühte ich mich, mit einer Mischung aus Selbstbewusstsein und einer gewissen Plumpheit durch die Welt zu staksen, wie junge Männer das so taten. Zum Glück fiel mir das nicht schwer, da mein Vater mich nur flüchtig mit den Umgangsformen einer Dame vertraut gemacht hatte. Wofür ich ihm heute noch dankbar bin. Einige Male sah ich mich um, ob mir jemand folgte, konnte aber nichts entdecken. In der Nähe des Campo de’
Fiori verlangsamte ich meinen Schritt. Das tat gut, da meine Rippen von dem ungewohnten Gang inzwischen schmerzten.
    Außerdem war ich hungrig. Ich erstand frisches Brot und Trauben und war beruhigt und erleichtert, als die Frauen mich kaum beachteten und mir nur kurz angebunden die Waren reichten und das restliche Geld zurückgaben. Ich verspeiste ein Stück des Brotes und schnippte mir die Krümel vom Wams, bevor ich in die Gasse der Glasbläser einbog.
    Es war noch früh am Tag, und gerade öffneten die ersten Läden. Rocco spannte den Sonnenschutz über den Tischen auf, wo er die Produkte seiner Arbeit ausstellte. Wie immer half Nando ihm. Zur Begrüßung zauste ich dem Jungen die Haare.
    Nando grinste.
    »Seid Ihr jetzt auch ein Junge, Donna Francesca?«
    Ich beugte mich zu ihm hinunter.
    »Ich habe mich verkleidet. Spannend, was?«
    Er runzelte die Stirn.
    »Wie bei einer Maskerade?«
    »So ähnlich. Sehe ich denn nicht aus wie ein Junge?«
    Nando zögerte. Meiner Erfahrung nach sind Kinder ehrlicher als die meisten Erwachsenen. Wenn sie zu oft bestraft werden, lernen sie das Lügen.
    »Ihr seht aus wie … na ja, wie Donna Francesca eben«, sagte er schließlich.
    Mit einem leisen Seufzer drehte ich mich zu Rocco um. Er hatte mich schon öfter so gesehen und war nicht weiter verwundert. Mit einem Lächeln nahm er mir das Brot und die Trauben ab und führte mich ins Haus.

    »Mögt Ihr auch Apfelwein?«
    Obwohl es für Wein noch ein wenig früh war, nahm ich das Angebot gerne an. Kurz darauf saßen wir am Tisch und ich blickte in den Hof hinaus, wo Rocco bereits den Ofen für die tägliche Arbeit geschürt hatte. Sein dunkles Haar hatte er mit einem breiten Band aus der Stirn zurückgebunden. Während er die Gläser füllte und das Brot und die Trauben auf den Tisch stellte, beobachtete ich das Muskelspiel seiner Oberarme, die nicht von der ledernen Tunika verdeckt wurden.
    Als er meinen Blick bemerkte, errötete er.
    Nach dem Frühstück schickte Rocco seinen Sohn mit einer Handvoll Trauben nach draußen und ermahnte ihn, in der Nähe zu bleiben. Er wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
    »Seid Ihr wieder im Ghetto gewesen?«
    Ich nickte.
    »Ich denke, dass ich jetzt weiß, wonach mein Vater gesucht hat, und kenne auch den Grund. Es heißt, dass ein päpstliches Edikt in Vorbereitung ist, das die Juden aus der gesamten Christenheit vertreiben soll. Innozenz hat das Papier bisher noch nicht unterzeichnet, aber es kann jederzeit so weit sein.«
    Roccos Miene verdunkelte sich. Er sah mich lange an, während er über das Gehörte nachdachte. Durch die Vertreibung der Juden aus Spanien waren Zehntausende zu Flüchtlingen geworden, und viele von ihnen starben an Hunger und Entbehrungen oder Krankheiten. Wie viel schlimmer würde die Lage erst werden, wenn allen Juden Europas dasselbe Schicksal drohte.

    »Wohin sollen sie denn um Himmels willen gehen?«, fragte Rocco.
    Ich zuckte die Schultern.
    »Die Türken haben schon viele der Flüchtlinge aus Spanien aufgenommen, aber ich habe keine Ahnung, ob sie noch mehr aufnehmen können. Vermutlich ist das auch gar nicht mehr wichtig. Die meisten Juden, mit denen ich gesprochen habe, glauben ohnehin, dass Innozenz ihr Volk vernichten will.«
    »Hat Euer Vater das gewusst?«
    »Ja«, antwortete ich, und

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