Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
er vielleicht einer der Wissbegierigen, die es angeblich sogar innerhalb der Glaubensfestung gab und die um
der Erkenntnis willen sogar die ewige Verdammnis riskierten. Und wenn er sich als Freund meines Vaters bezeichnete, konnte ich da nicht hoffen, dass Pater Morozzi genau der war, den ich suchte?
»Können wir uns morgen bei ihm treffen, nach der Terz?«, bat er eindringlich und deutete zum Seitenschiff, wo mein Begleiter wartete und beunruhigt zu uns herübersah. »Der Kardinal sollte nichts von unserem Gespräch erfahren. Habe ich Euer Wort?«
Wahrscheinlich war diese Vorsicht klug und notwendig. Ich nickte.
»Selbstverständlich.« Ein Geräusch hinter mir ließ mich herumfahren, doch als ich mich wieder umwandte, war der Priester verschwunden.
Ich verharrte noch einige Augenblicke in Andacht vor der heiligen Katharina und versuchte, mich zu beruhigen. Morozzi hatte mich angesprochen, und ich war sicher, dass er mir vom Palazzo aus gefolgt war. Ohne guten Grund hatte er das nicht getan. Falls er tatsächlich der Freund meines Vaters im Vatikan war, konnte ich ihn vielleicht erneut für den Plan gewinnen.
Womöglich gab es bald kein Zurück mehr. Im Grunde hatte ich darauf hingearbeitet – und doch machte mir der Gedanke Angst. Die Wahrheit ist: Ohne meinen Vater zu rächen, konnte ich nicht weiterleben, aber sterben wollte ich auch nicht.
Vor allem wollte ich nicht ausgerechnet in der finsteren Engelsburg mein Ende finden, deren Mauern schon unendlich viele hilflose Schreie erstickt hatten.
Gedankenversunken kehrte ich in den Palazzo zurück
und widmete mich endlich der Aufgabe, die ich nicht länger aufschieben durfte. In der Abgeschiedenheit des kleinen Arbeitsraums, den ich früher mit meinem Vater geteilt hatte, suchte ich mehrere Grundstoffe zusammen, die ich damals vor den Wachen gerettet hatte, und zerkleinerte sie mit dem Mörser. Blauer Eisenhut, Stern von Bethlehem und Paternostererbse enthalten jede für sich bereits ein tödlich wirkendes Gift, doch als Mischung tötet das Gift auf der Stelle. Als Bindemittel verwendete ich eine kleine Menge der Rückstände, wie man sie in alten Weinfässern findet, die an fast allem haften, womit sie in Berührung kommen.
Das Ergebnis in Form einer braunen Pastille passte genau in mein goldenes Medaillon, das ich mir um den Hals legte. Es war ein Geschenk meines Vaters und sicher für eine glücklichere Verwendung gedacht, doch in diesem Augenblick war ich sehr froh darüber. Wenn ich die Pastille schluckte oder in einem Getränk auflöste, würde sie mich auf der Stelle töten. Kein angenehmer Tod, aber zumindest würde es schnell vorüber sein.
Dann legte ich mich schlafen. Fast augenblicklich kehrte mein schlimmer Alptraum wieder. Ich erwachte durch meine Schreie und tastete unwillkürlich zwischen meinen Brüsten nach meinem goldenen Talisman. Erleichtert drückte ich ihn an mich und sank kurz darauf in erholsamen Schlaf.
12
Ich erwachte noch vor Tagesanbruch, lange bevor ich mich mit dem Priester in Roccos Werkstatt treffen sollte. Aber zuerst musste ich das Problem mit Vittoro lösen. Morozzi hatte klar gesagt, dass Borgia nichts über ihn erfahren solle, was mir unter diesen Umständen nur vernünftig erschien. Doch obwohl der Hauptmann keine Bedenken zu haben schien, Innozenz ins Jenseits zu befördern, konnte er dem Kardinal wahrscheinlich nichts verheimlichen. Ich musste seiner Wachsamkeit also ein Schnippchen schlagen.
Ich überlegte kurz, zu ihm zu gehen, aber genauso schnell entschied ich mich dagegen, weil ihn das nur unnötig misstrauisch gemacht hätte. Stattdessen wartete ich geduldig, bis er zu mir kam, um mich nach meinen Plänen für diesen Tag zu fragen.
»Ich habe eine Menge zu erledigen.« Ich nickte in Richtung des kleinen Arbeitsraums. »Falls ich das Haus verlassen will, gebe ich Euch Nachricht.«
Selbst wenn sich Vittoro fragte, was ein Giftkundiger einen ganzen Tag lang zu tun hatte, so war er viel zu klug, um Fragen zu stellen. Nach einem kurzen Blick auf den
Tisch, auf dem allerlei Fläschchen, Schachteln und Fässchen standen, zog er sich eilig zurück.
Sobald ich allein war, verlor ich keine Zeit. Aus den Tiefen meiner Truhe förderte ich die Kleidung eines jungen Mannes zutage, die ich schon einige Male getragen hatte. Aber zu selten, um mich wirklich wohl darin zu fühlen. In kurzer Tunika, Wams und Kniehose fühlte ich mich fast entblößt, aber auch selbstbewusst, weil ich ein anderer Mensch war und mich frei
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