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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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zögern, uns aufzuhalten.
    »Habt Ihr … habt Ihr denn jemanden im Auge?«, fragte ich.
    David zuckte zusammen und wandte den Blick ab. Aber Sofia sah mich an und nickte langsam.

15
    Die alte Frau lag auf der Pritsche im hinteren Zimmer, wohin man sie aus dem großen Raum gebracht hatte. Obwohl es warm war, war sie mit einer Decke aus feiner Lammwolle zugedeckt, die unter der dicken Schmutzschicht jedoch kaum zu erkennen war. Ihr graues Haar war auf der Pritsche ausgebreitet. Trotz der eingefallenen Wangen und der runzeligen Haut sah man noch, wie schön diese Frau einmal gewesen war.
    »Rebecca«, sagte Sofia leise. Sie ließ sich auf die Knie nieder und ergriff ihre Hand.
    Die Augenlider zitterten und öffneten sich schließlich.
    »Erinnert Ihr Euch an unser Gespräch?«, fragte Sofia auf Katalanisch. Ich verstand jedes Wort, weil Katalanisch die ursprüngliche Sprache der Borgias war, als sie noch als Los Boryas in Spanien lebten. Da die Römer der Familie die spanische Herkunft nicht verzeihen konnten, hielt diese aus trotzigem Stolz an ihrer alten Sprache fest.
    Als die alte Frau nickte, deutete Sofia auf mich. »Dies ist Francesca. Sie wird uns helfen.«
    »Also habe ich nicht geträumt?« Die Stimme der alten Frau war so schwach, dass ich mich ganz nah zu ihr hinunterbeugen
musste. Doch mit jedem Wort schien ihre Kraft zu wachsen. »Was Ihr gesagt habt … ist das wahr?«
    Sofia sprach eine Weile leise mit ihr. Ich konnte kaum verstehen, was gesprochen wurde, und war erleichtert, dass Sofia mir die Erklärung abnahm.
    »Diese Bedrohung richtet sich gegen uns alle«, sagte Sofia. »Ich wünschte, es wäre anders, aber leider ist es das nicht. Ich weiß, dass wir Entsetzliches von Euch verlangen …«
    Mit einer schwachen Geste hob Rebecca die Hand, auf der sich feine blaue Adern abzeichneten.
    »Meine ganze Familie … mein Mann, meine Kinder, meine wunderhübschen kleinen Enkelkinder … alle tot …« Tränen rannen über ihre Wangen.
    »Vor ungefähr einer Woche haben Leute sie auf der Straße gefunden und zu uns gebracht«, erklärte Sofia. »Rebecca ist mit ihrer Familie geflohen. Unterwegs wurden sie aufgehalten und beschuldigt, heimlich Geld bei sich zu tragen. Ich weiß nicht genau, was geschehen ist, aber Augenzeugen berichteten, dass Rebecca die einzige Überlebende sei.«
    Ich war nicht überrascht. Das Edikt der Katholischen Majestäten war mit einer Frist versehen, die in wenigen Wochen ablief. Bis dahin durften alle Juden, die sich nicht taufen lassen wollten, das Land unter der Bedingung verlassen, dass sie nichts Wertvolles mitnahmen – keine Münzen, keinen Schmuck, nichts, was ihnen das Leben in der Fremde erleichtert hätte. Sie mussten alles zurücklassen und besaßen praktisch nur noch, was sie auf dem Leib trugen.
    Natürlich versuchten viele, ihren Reichtum außer Landes zu schmuggeln, und die Unglücklichen, die den raffgierigen mercenarios in die Hände fielen, die die Grenzstädte
und Häfen überwachten, überlebten diese Begegnung nur selten.
    Widerstrebend löste ich meine Gedanken von dem Unglück, das die Frau erlitten hatte, und konzentrierte mich auf meine Aufgabe.
    »In welcher Verfassung ist sie?«, fragte ich Sofia.
    »Sie ist unterernährt, und ihr Herz ist schwach.«
    Ich hatte etwas Schlimmeres erwartet und konnte meine Überraschung nicht verbergen.
    »Mit sorgfältiger Pflege könnte sie also überleben?«
    »Nein!«, widersprach Rebecca. »Nein, guter Gott, nein! Ich kann nicht … und ich will nicht …« In ihrer Aufregung packte sie meinen Arm. »Der Gott Abrahams und Isaacs ist ein gerechter Gott. Er weiß, wie sehr ich leide. Er wird mir die Erlösung nicht versagen.«
    »Sie will weder essen noch trinken«, sagte Sofia. »Ich kenne das. Viele der Alten weigern sich. Sie lassen sich nicht davon abbringen.«
    »Trotzdem …« Angesichts der Entscheidung, die ich treffen musste, kamen mir Zweifel. Die Sache mit dem Spanier, dem Mörder meines Vaters, ja selbst mit Innozenz stand auf einem anderen Blatt. Im Gegensatz dazu war es ein himmelweiter Unterschied, in der Theorie über eine Mordmethode an einem lebendigen Opfer zu sprechen und den Versuch tatsächlich an dieser alten Frau zu wagen, die schon so viel gelitten hatte. Rebeccas Hand schloss sich um meinen Arm. Dann sprach sie so deutlich, dass ein Missverständnis ausgeschlossen war.
    »Versagt mir nicht die Möglichkeit, meine Brüder und
Schwestern vor demselben Schicksal zu bewahren, das mir die Meinen

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