Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
einmal auszuschließen, dass das gesamte Ghetto in Flammen aufging – außer es gab einen Papst, der sie in Schutz nahm.
All das ging mir durch den Kopf, während ich an den Wartenden vorbei zur Tür der Apotheke ging. Sofia versorgte gerade ein krankes Kind und deutete nur wortlos auf die Tür zum hinteren Zimmer. Sobald sie etwas Zeit fand, folgte sie mir. Ich hatte verschiedene Waren mitgebracht,
die sie bestellt hatte, und noch einiges andere, aber Sofia nickte nur und kam gleich zur Sache.
»Im Moment gibt es mehrere Fälle von Schüttelfrost, Wassersucht und Durchfall und, wie ich fürchte, auch einen Fall von Influenza.«
Das ließ mich aufhorchen. Diese Erkrankung verursachte heftigen Schüttelfrost, hohes Fieber und Wasser in der Lunge. Vor einigen Jahren hatte die Krankheit in Florenz gewütet und sich später bis nach Mailand und Rom ausgebreitet. Die Seuche brach rasch aus, aber ebenso schnell verschwand sie wieder. Zahllose Menschen wurden krank, einige starben, die meisten kamen aber mit dem Leben davon. Die Ärzte vermuteten einen Einfluss der Gestirne, daher der Name, doch meiner Meinung nach wussten sie genauso wenig wie ich, was die Krankheit eigentlich verursachte.
»Für einen raschen Tod ist Wassersucht zu langwierig«, sagte ich. Durch die Krankheit bilden sich Ödeme im Gewebe, besonders im Bereich des Herzens, aber es dauert oft Jahre, bis sie tödlich endet. Dies war das Ergebnis verschiedener Sektionen, die man in Bologna, Padua und Salerno durchgeführt hatte. Es gab auch noch andere, nicht genehmigte Leichenöffnungen, aber davon möchte ich hier nicht sprechen.
»Schüttelfrost und Durchfall lassen sofort den Gedanken an eine Vergiftung aufkommen«, fuhr ich fort. »Falls Innozenz bei seinem Tod solche Symptome aufweist, würde der Verdacht sofort auf Borgia fallen. Die Influenza dagegen …«
Die Erkrankung wies keinerlei Anzeichen einer Vergiftung auf, doch unglücklicherweise schien sie eher die schleimigen Körpersäfte zu betreffen als das Blut.
»Ich glaube nicht, dass wir auf diese Weise weiterkommen«, sagte ich und erklärte Sofia die Gründe.
Sie schloss sich meiner Meinung an und zog mich dann ein Stück weit mit sich fort, damit Vittoro uns nicht hören konnte.
»Seid Ihr sicher, dass Ihr die Sache durchführen wollt?«
Ich nickte ohne Zögern.
»Die Zeit läuft uns davon. Wir müssen handeln. Ich denke, dass ich einen Weg gefunden habe, an Innozenz heranzukommen. Alles Weitere muss warten, bis wir wissen, wie wir vorgehen wollen.«
Sofia zögerte ein wenig. Dann nickte sie. Sie ergriff meinen Arm und führte mich zu einer Pritsche, die in einer entfernten Ecke des großen Raums stand und von einem Vorhang umgeben war.
»Seht her.«
Der Mann, der darauf lag, war ungefähr Mitte zwanzig, aber angesichts seines Zustands ließ sich sein Alter nur schwer schätzen. Das dunkle Haar klebte ihm am Kopf, die Haut war gerötet, und es ging ein widerlich süßlicher Geruch von ihm aus. Ich kniete neben der Pritsche nieder und befühlte seine Stirn, doch ich zog die Hand so hastig zurück, als ob ich mich verbrannt hätte.
»Was fehlt ihm?«
»Ich weiß es nicht.« Die Größe, ihr Unwissen einzuräumen, gehörte zur Sofias herausragenden Charakterzügen.
Sie beugte sich über den jungen Mann und schob die Decke zurück, um seinen Arm zu entblößen. Ich verzog das Gesicht.
An seinem Oberarm konnte man noch die Muskeln erkennen,
doch der größte Teil des unteren Arms schien von schwarzem Gewebe zerfressen, von dem aus rote Streifen über den ganzen Arm liefen.
»Was ist mit ihm geschehen?«, fragte ich.
»Er heißt Joseph. Gestern kam er auf Drängen seiner Frau zu mir. Er hatte einen Schnitt am Arm. Ungefähr eine Woche alt. Jetzt kann man ihn kaum mehr sehen. Ungefähr hier. Die Haut um die Wunde war steinhart und so heiß, dass man sie nicht berühren konnte. Er hatte Fieber und schien nicht bei sich zu sein. Ich habe ihn überredet, sich hinzulegen, und seitdem ist er nicht mehr aufgestanden. Seine Frau musste nach Hause und sich um die Kinder kümmern. Ich habe bereits nach ihr geschickt. Sie muss bald kommen, wenn sie ihn noch lebend sehen will.«
»Habt Ihr eine Vorstellung, was ihn umbringt?«
»Ehrlich gesagt, nein. Sein Puls war sehr schnell, doch inzwischen ist er kaum noch zu fühlen. Die Schwärze breitet sich weiter aus, ebenso die roten Linien, die genau den Adern folgen. Sein Herz schlägt immer schwächer, auch die Lungen scheinen verstopft zu
Weitere Kostenlose Bücher