Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
sein, und er lässt auch keinen Urin mehr. In ein paar Stunden wird er tot sein.«
Betrübt sah sie auf das hinunter, was von dem kräftigen jungen Ehemann und Vater übrig war. »Ich kann nichts mehr für ihn tun.«
»Ihr denkt, dass etwas sein Blut vergiftet hat, nicht wahr?«
»Ich wüsste nicht, was es sonst sein sollte.« Sofia sah mich an. »Die Erkrankung schreitet jedenfalls sehr schnell voran, und wie eine Vergiftung sieht es nicht aus, oder?«
Nein. Kein Gift, das mir bekannt war, rief solche Symptome
hervor. Vermutlich hatte sie recht, und das Gift steckte im Blut. Aber wir wussten es nicht.
Wie konnte ich es erfahren?
Gegen die Antwort auf diese Frage sträubte sich alles in mir. Doch so, wie die Dinge standen, blieb uns nichts anderes übrig.
»Vermutlich haben wir nur eine Chance«, sagte ich.
Sofia presste die Lippen zusammen. Die Geste verriet mir, dass ihre Gedanken um dasselbe kreisten wie die meinen.
»An den Papst heranzukommen, ist schon schwer genug«, sagte ich, um uns Mut zu machen. Ich sah auf den jungen Mann hinunter. »Wir müssen unserer Sache wirklich sicher sein.«
Es gab nur einen Weg, um das festzustellen.
»Ihr wollt was tun?«, fragte David ben Eliezer ungläubig, nachdem Sofia ihn in die Apotheke gerufen hatte. Es war nur verständlich, dass sie diese Entscheidung nicht allein verantworten wollte. Wir waren im hinteren Zimmer und sprachen leise, damit uns niemand hörte.
»Wir müssen den Versuch wagen«, sagte ich. Schon bei dem Gedanken war mir elend zumute, aber es gab keinen anderen Weg. »Wir müssen uns vergewissern, dass das Blut des jungen Mannes tatsächlich eine Krankheit in sich trägt, die zum Tode führt. Ohne Beweis macht es keinen Sinn, die Sache weiterzuverfolgen. Dazu ist die Gefahr zu groß.«
»Wollt Ihr es an einem Tier versuchen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wir wissen inzwischen, dass es Krankheiten gibt, die zwar die Menschen befallen, Tiere aber verschonen. Und umgekehrt genauso. Ich muss es an einem Menschen versuchen.«
»Stellt Ihr Euch freiwillig zur Verfügung?«
Ich begriff, dass ihn mein Vorschlag entsetzte, aber ich war nicht gewillt, es einfach hinzunehmen.
»Ich bin bereit, das Blut in die Engelsburg zu bringen, und werde auch sicherstellen, dass der Papst es trinkt. Aber als Tote kann ich das kaum tun.«
Sofia legte mir die Hand auf den Arm.
»Es fällt uns allen nicht leicht, darüber zu reden«, sagte sie ruhig. »Ich kann kaum daran denken. Aber wir wussten vorher, dass unser Tun einen hohen Preis von uns allen fordert.«
»Aber doch nicht so etwas«, widersprach David. »An so etwas hat doch keiner von uns gedacht.«
Natürlich hatte er recht. Während ich um mein Seelenheil fürchtete, wollten die Juden nur ihr Leben retten. Bestimmt würde Gott das verstehen und ihnen verzeihen.
Doch nun forderte ich von ihnen, einen Menschen zu töten, der keine Schuld auf sich geladen hatte. Einen unschuldigen Menschen.
»Ich bin dazu bereit«, erklärte David plötzlich. Seine Augen waren dunkle Seen, so leichenblass war er. »Die Sache war von Beginn an meine Idee. Ich kann nicht erwarten, dass jemand anders das Risiko eingeht.«
»Wir können Euch unmöglich entbehren, David.« Sofia sah ihn so zärtlich an wie eine Mutter. »Wer sonst würde unser Löwe sein und uns beschützen?«
Wie ich zu meiner Überraschung feststellte, glitzerten Davids Augen genauso wie meine.
»Es macht keinen Sinn, einen jungen Menschen für den Versuch auszuwählen«, sagte ich schnell, bevor er etwas entgegnen
konnte. »Der Papst ist alt und gebrechlich, also muss es jemand sein, der dieselben Bedingungen erfüllt.«
»Aber das macht die Sache nicht leichter«, sagte David. »Auch die Alten verdienen unseren Schutz.«
Ein dunkler Schatten legte sich auf meine Seele. Ich verstand, wie David ben Eliezer fühlte, und konnte ihm in jeder Beziehung zustimmen. Aber die Welt ist nun einmal, wie sie ist, und nicht, wie wir sie gern hätten. Manchmal musste man Schreckliches tun. Manchmal hatte man keine Wahl und musste sich für das weniger Schreckliche entscheiden.
Auf jeden Fall musste ich eine geeignete Person finden und alles Mitleid ausklammern, um kühl das Erforderliche zu tun.
»Wir können niemanden um Hilfe bitten«, sagte Sofia, »ohne dass wir alles aufdecken müssen.«
Natürlich barg das eine Gefahr. Allein das Ansinnen konnte einen Proteststurm entfachen. Falls Rabbis und Kaufleute von unserem Tun erfuhren, würden sie keine Sekunde
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