Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
Tag, als ich es mit Rebeccas Blut wieder verließ, hatte sich viel verändert. Seitdem sah ich die Juden als Menschen, und meine Suche nach Gerechtigkeit für meinen Vater wurde von dem Wunsch verstärkt, das Werk zu vollenden, wofür er sein Leben gegeben hatte, und Morozzis Sieg mit allen Mitteln zu verhindern.
Ich packte Vittoros Arm.
»Wir können noch nicht fort. Zuvor müssen wir unser Werk vollenden.«
Vittoro starrte mich an, als ob ich übergeschnappt sei.
»Ich kann Euch nicht zu Innozenz führen. Und jetzt schon gar nicht. Morozzi erhebt vielleicht keine Anklage, aber den Papst lässt er jetzt nicht mehr aus den Augen.«
»Das mag sein, aber Morozzi geht davon aus, dass er das Gift in Händen hält, womit ich Innozenz töten wollte.« In kurzen Worten berichtete ich Vittoro von dem Medaillon. »Morozzi glaubt, dass er mich entwaffnet hat, aber er irrt sich.«
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte Vittoro.
Ich zog die kleine Flasche aus ihrer gepolsterten Hülle unter meinem Gewand hervor, die Sofia gefüllt hatte.
»Ich muss nicht zu Innozenz. Ich muss nur dorthin, wo die Jungen für ihn zur Ader gelassen werden.«
Vittoro starrte mich nur an und stieß einen tiefen Seufzer aus. Ich sah, wie er mit sich rang. Es sprach alles dafür, die Burg sofort zu verlassen. Früher oder später würde Innozenz ohnehin sterben, vermutlich sogar bald, und dann bekäme Borgia seine Chance.
Aber dann war es zu spät und die Vernichtung der Juden nicht mehr aufzuhalten. Jetzt würde sich der verrückte Morozzi noch stärker dafür einsetzen, dass das Edikt schnellstmöglich unterzeichnet und erlassen wurde.
»Der Kardinal …«, begann Vittoro.
»Hat er Euch geschickt?«, fragte ich, ängstlich darum bemüht, dass Vittoro keine Gelegenheit bekam, alle seine Befürchtungen aufzuzählen. Er war Borgias Mann, das hatte er mir unmissverständlich klargemacht. Aber bedeutete das auch, dass er die Interessen des Kardinals über alles andere stellte?
»Nein«, antwortete Vittoro. »Der Kardinal weiß nichts davon.« Er zuckte die Achseln. »Ich habe über Eure Worte nachgedacht, dass Borgia nichts von alledem wissen möchte, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Ihr recht hattet.«
Dem Himmel sei Dank. Vielleicht gab es ja doch noch eine Chance.
»Ich kann es schaffen, Vittoro. Das müsst Ihr mir glauben. Die Methode ist zwar nicht todsicher, aber sie hat berechtigte Aussicht auf Erfolg. Ich benötige nicht einmal sehr viel Zeit.« Der letzte Punkt entsprach nicht unbedingt der Wahrheit. Nur wenn ich sofort fand, was ich suchte. Und wenn nicht …
»Bringt Francesca aus der Burg«, sagte David. »Sagt mir
nur ungefähr, wo sich die Gemächer des Papstes befinden. Den Rest erledige ich schon.«
Bevor ich protestieren konnte, schüttelte Vittoro den Kopf. »Diesen Weg würdet Ihr niemals finden. Hier verlaufen sich sogar die Ratten.« Mit einem Seufzer fügte er hinzu: »Selbst wenn Morozzi bekommt, was er will, so schont er die Juden nicht. Einer wie er ist erst zufrieden, wenn er sich die ganze Welt untertan gemacht hat.«
»Es ist nur schlimm, dass die meisten Leute es nicht einmal merken«, bemerkte David trocken.
»Die meisten können doch ihren Hintern nicht vom Ellenbogen unterscheiden«, schimpfte Vittoro. Dann erinnerte er sich an mich. »Tut mir leid, Donna Francesca. Aber ich bin nun einmal ein alter Soldat, der nicht jedes Wort auf die Goldwaage legt.«
Ich drückte seine Hand und merkte, wie meine Augen feucht wurden.
»Ihr müsst Euch nicht entschuldigen, Vittoro. Und hört endlich auf, mich Donna zu nennen. Ich bin ebenso wenig eine feine Dame wie Ihr.«
Die Männer lachten, allerdings eher aus Erleichterung statt wegen meines dummen Scherzes. Damit war die Sache entschieden.
18
Vittoro, David und ich stiegen weiter den Luftschacht empor, der an dieser Stelle steiler verlief und der Rundung der Burgmauer folgte. Noch zwei Mal passierten wir eine Öffnung im Mauerwerk, und ich spähte kurz auf die schlafende Stadt hinunter. Letztlich endete der Schacht an einer großen viereckigen Öffnung, über der ich den Nachthimmel ausmachen konnte.
»Wo sind wir?«, fragte ich, als Vittoro sich in die Höhe stemmte. David kam mir zu Hilfe und hob mich in die Höhe, und gleich darauf fanden wir uns zu meiner Überraschung auf dem Dach der Burg wieder, zu Füßen des Anführers der himmlischen Heerscharen und Patrons der Soldaten, den, wie ich inzwischen weiß, der Prophet Daniel einen mächtigen
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