Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
hätte tun dürfen. Ich habe auch keine Erklärung außer dieser: Ein verängstigtes Kind hatte Schmerzen und brauchte meine Hilfe. Wer hätte da nicht gehandelt?
»Was tut Ihr da?«, herrschte mich der Arzt an. »Ich habe doch gesagt, dass Ihr nichts anfassen dürft.«
David trat einen Schritt ins Zimmer.
»Bruder … Franz hat es nur gut gemeint, dottore . Er hat früher immer die … Pferde behandelt. Ich bin sicher, er wollte nichts Falsches tun, nicht wahr, Bruder?«
Ich schüttelte nur stumm den Kopf, während ich den dottore und alle seiner Art in den siebten Höllenkreis wünschte. Liebend gern malte ich mir aus, wie er im kochenden Blut des Phlegeton unterging, wo er hoffentlich bis in alle Ewigkeit bleiben musste.
»Wir müssen fort«, mahnte Vittoro. »Verzeiht, dottore .«
Der Arzt brummte noch vor sich hin, als wir uns bereits über den Korridor entfernten.
»Wart Ihr erfolgreich?«, fragte David leise.
Ich bejahte, worauf wir wieder den Durchgang betraten, das Dach überquerten und in einen weiteren Schacht kletterten, der uns bis auf die Ebene des zweiten Hofs brachte. Spätestens jetzt glaubte ich, dass sich in diesem Labyrinth sogar die Ratten verirrten. Ich war inzwischen völlig verwirrt und hätte nicht gewusst, wohin ich mich wenden sollte, wäre nicht der Hauptmann an unserer Seite gewesen.
Kaum dass wir den Hof erreichten, begegneten wir einer Wachmannschaft – ungefähr einem Dutzend Söldner mit Brustpanzern und Federhelmen, die Piken und Schilde mit sich führten. Sie trabten über den Hof. Auch aus anderen Richtungen waren überall schwere Schritte zu hören.
Wir pressten uns an die Mauer in den Schatten und warteten mit angehaltenem Atem, bis sie vorbei waren. Mein Herz klopfte wie wild, und meine Rippen schmerzten. Wenn man uns hier erwischte, hatte Morozzi genug Beweise, um uns anzuklagen. Außerdem würde jemand Verdacht schöpfen, dass wir uns in der Nähe der Jungen aufgehalten hatten, und man würde sie befragen …
Bittere Galle stieg mir in die Kehle, und ich betete, wie ich nie zuvor gebetet hatte. Aber meine Gebete taugten nicht viel. Im Grunde warnte ich Gott, dass ich ihn, wenn er dies oder jenes zuließ, für einen üblen Täuscher halten würde, der unsere Verehrung nicht verdiente. Das war vermutlich nicht der beste Weg, um die Gunst des Allmächtigen zu gewinnen.
»Sie riegeln jetzt die Eingänge ab«, sagte Vittoro, als die Soldaten nicht mehr zu sehen waren. »Das ist Morozzis einzige Chance, um Euch an der Flucht zu hindern.«
»Damit habt Ihr vermutlich längst gerechnet, nicht wahr?«, fragte David.
Der Hauptmann zuckte die Achseln.
»Um die Wahrheit zu sagen, wollte ich Euch erst einmal finden. Um den Rest würden wir uns später Gedanken machen.«
»Vielleicht gibt es ja irgendwo ein Versteck?«, schlug ich vor. »Dort warten wir, bis sich alles beruhigt hat, und schleichen uns dann davon.«
Vittoro schüttelte den Kopf.
»Es gibt unzählige Verstecke, aber Ihr seid nirgendwo sicher. Besser, Ihr verschwindet sofort, und ich bleibe zurück und sorge für ein bisschen Wirbel. Meine Kameraden werden mir das nicht übel nehmen. Wie gesagt, sie stehen auf Borgias Seite.«
»Der Hauptmann hat recht«, sagte David. »Falls wir Erfolg haben und Innozenz stirbt, wird die Burg ohnehin hermetisch abgeriegelt, bis die Wahl vorüber ist.«
Dem hatte ich nichts hinzuzufügen. Ich erinnerte mich zu gut daran, was vor acht Jahren nach dem Tod von Papst Sixtus IV. geschehen war. Zusammen mit meinem Vater und fast allen aus dem Haushalt der Borgia wurden wir aufs Land gebracht, während der Kardinal seinen Kampf um die Papstkrone ausfocht – und verlor. Damals hatten Räuberbanden die Straßen unsicher gemacht, überall in Rom hatte es gebrannt, und das Chaos hatte die Stadt regiert, bis die Versammlung der Kardinäle sich endlich auf
einen Kandidaten geeinigt hatte. Dieses Mal würde es nicht anders sein.
»Ihr müsst fort«, sagte Vittoro. Er sah sich um und traf dann eine Entscheidung. »Hier entlang.«
Wir gingen einige Stufen hinunter, als wieder eine Formation Soldaten vorbeimarschierte. Ich drückte mich gegen die Mauer und hielt den Atem an, als einer der Gardisten über die Schulter zurücksah und die Stirn runzelte, als ob er etwas gesehen oder gehört hätte. Gleich darauf ging er weiter, und ich konnte wieder Luft holen. Hier konnten wir nicht bleiben, soviel war klar. Früher oder später würde man uns entdecken.
Zu guter Letzt erreichten wir
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