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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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Himmelsfürsten und Fürsprecher des jüdischen Volkes in Zeiten der Drangsal nennt. Über uns erhob sich der Erzengel Michael majestätisch und mit ernstem, entschlossenem Blick, und unter uns …
    Zum Glück habe ich keine Höhenangst, was ich in dieser Nacht beweisen konnte. Selbst David wirkte äußerst angespannt, als wir quer über das Dach krabbelten und erneut in einen Schacht einstiegen und auf die vierte Ebene der
Burg gelangten. Von dort aus kletterten wir in einen Gang, dessen Wände mit Fresken sommerlicher Villen geschmückt waren, aus denen dunkeläugige Männer und Frauen aus fernen Zeiten uns ansahen. Wenig später endete der Gang an einer kleinen Tür.
    Vittoro presste sein Ohr an das Holz und lauschte. Dann richtete er sich auf und nickte uns zu.
    »Der Korridor auf der anderen Seite führt zu den päpstlichen Gemächern. Entweder ist Morozzi bereits dort, oder er kommt, sobald er sich das Edikt hat bringen lassen.«
    »Was meint Ihr damit? Bringen lassen?«, fragte ich.
    »Das Edikt befindet sich nicht hier in der Engelsburg, sondern im Vatikan«, erklärte Vittoro. »Borgia ist es bisher gelungen, das Dokument in der Kurie unter Verschluss zu halten. Nun, da er den Papst in Gefahr sieht, wird Morozzi keinen Tag länger warten. Er wird behaupten, dass Innozenz danach verlangt hat, und Sorge dafür tragen, dass es ohne Zeitverlust unterzeichnet wird.«
    »Aber zuerst muss er es hierher in die Engelsburg bringen lassen«, ergänzte David, als er die Situation begriff.
    »Das verschafft uns etwas Zeit, wenn auch nicht viel«, folgerte ich.
    Vittoro nickte.
    »Der Kardinal hat angeordnet, dass das Edikt nicht ohne seine ausdrückliche Erlaubnis herausgegeben werden darf. Morgen früh jedoch …«
    Der Rest blieb ungesagt, aber meine Hoffnung trübte das nicht im Geringsten. Die umständliche Verwaltung des Vatikans konnte es mit jeder anderen in der Welt aufnehmen. Morozzi konnte verlangen, was er wollte, selbst
im Namen des Papstes, aber von diesem Moment an nahm alles den vorgeschriebenen Weg. Der Bedienstete weckte seinen Vorgesetzten und erklärte das Problem. Der Vorgesetzte wiederum schickte eine Botschaft an Borgia, der vermutlich nicht aufzufinden war. Meiner Vermutung nach verbrachte er die Nächte vorwiegend im Bett der schönen Giulia. Sobald man ihn gefunden hatte, musste sich Borgia standesgemäß kleiden, was der Kardinal mit Rücksicht auf seine Position unter keinen Umständen versäumte. Spätestens dann hätte er vermutlich gehört, dass Vittoro und meine Wenigkeit vermisst wurden. Er würde seine Schlüsse ziehen und von diesem Zeitpunkt an äußerst vorsichtig zu Werke gehen. In diesem Fall also möglichst langsam.
    Was nicht bedeutete, dass wir es ihm gleichtun durften.
    »Und wo sind die Jungen untergebracht?«, fragte ich.
    »Am anderen Ende des Korridors. Innozenz kann sehr eigen sein. Er will zwar, dass die Jungen in seiner Nähe sind, aber sehen möchte er sie nicht.«
    »Werden sie von einem Arzt betreut?«, fragte David.
    Vittoro nickte.
    »Soweit ich weiß, werden sie um diese Zeit zur Ader gelassen. «
    »Und warum so spät?«
    »Innozenz fürchtet die Dunkelheit.« Vittoro zuckte die Achseln. »Also macht er die Nacht zum Tag.«
    Wir krochen aus dem engen Gang und gingen den Korridor in der angegebenen Richtung entlang. David ging voran, und ich folgte ihm. Vittoro blieb zurück, das war Teil unseres hastig festgelegten Plans.

    Wir waren noch nicht weit gegangen, als ich innehielt und an Davids Umhang zupfte.
    »Hört Ihr das?«, flüsterte ich.
    Er wollte schon den Kopf schütteln, als er auf einmal entschlossen nickte.
    »Wir sind ganz in der Nähe.«
    Wir hatten ein leises Wimmern gehört, das klagende Wimmern eines Kindes, das mir ins Herz schnitt. Mit eisernem Willen nahm ich mich zusammen. Ich wollte mich schützen, aber ich vermochte es nicht. Aus unerfindlichen Gründen meinte ich plötzlich, hinter der Wand meines Alptraums gefangen zu sein und nur durch ein winziges Loch zu spähen, das mir Entsetzliches offenbarte.
    Das Wimmern wurde stärker. Für kurze Zeit meinte ich zu ersticken, aber ich ging hinter David her, bis er am Ende des Korridors vor einer Tür stehenblieb. Das Wimmern kam eindeutig von der anderen Seite. Ich holte Luft, und auch David atmete tief durch, bevor er geräuschlos die Tür öffnete.
    Der kleine fensterlose Raum wurde von einer Lampe erhellt, die in einer Wandnische stand. Vier einfache Betten und einige Stühle waren die einzigen

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