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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Poole
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schlichen wir zur Treppe und schlüpften durch dieselbe Tür, durch die wir hereingekommen
waren, zurück auf die Straße. Die strahlende Morgensonne blendete uns so sehr, dass wir blinzeln mussten. Eine frische Brise trug den Duft von Lavendel aus dem Süden in die Stadt und milderte den Gestank, der noch immer in unseren Kleidern hing.
    Nahe beim Pantheon trennten wir uns. Ich sorgte mich um Roccos Sicherheit und flehte ihn an, nicht in die Werkstatt zurückzukehren. Doch er wollte nichts davon hören.
    »Soll Morozzi doch kommen«, meinte er. »Ich halte ihn jedenfalls so lange von euch fern, bis Borgia ihn erledigen kann.«
    Jedem anderen Mann hätte ich solch prahlerische Drohung eher zugetraut als ausgerechnet Rocco mit seiner aufrechten Seele. Ich ergriff seine Hand.
    »Bitte, achtet auf Euch. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn …«
    »Schickt mir lieber Nachricht, falls ihr etwas braucht.« Er drückte meine Hand. »Aber sorgt euch nicht um mich.«
    Ich wollte noch etwas erwidern, aber meine Kehle war mit einem Mal wie zugeschnürt, und meine Augen brannten. Bevor ich den Mund öffnen konnte, war er bereits gegangen. Als er sich noch einmal umdrehte und meinem Blick begegnete, lächelte er. Ich erwiderte sein Lächeln, aber ich glaube nicht, dass er es gesehen hat.
    Schmutzig und zerlumpt wie wir waren, drängten David und ich uns durch die Menschenmassen, die wie an jedem Tag die Straßen der Stadt bevölkerten. Offenbar eilte uns ein ekliger Gestank voraus, denn manche rümpften entsetzt die Nase oder grinsten uns nur an.

    Als wir den Palazzo erreichten, hatte ich mir einen Plan zurechtgelegt.
    »Wir müssen herausfinden, wo Borgia ist und was mit dem Edikt geschehen ist. Ihr könnt Euch in meinen Räumen verstecken, bis ich …«
    Mit sanfter Hand hielt David mich am Ellenbogen zurück.
    »Ich werde mich nirgendwo verstecken. Sobald ich Euch in Sicherheit weiß, kehre ich ins Quartier zurück.«
    Ich wollte widersprechen, doch er ließ es nicht zu. »Falls das Edikt unterzeichnet ist, wird es demnächst verkündet«, sagte er. »Und dann geht es uns an den Kragen, genau wie den Juden in Spanien. Sie waren nicht darauf vorbereitet, sich zur Wehr zu setzen. Wir dagegen haben vorgesorgt.« Er wirkte zu allem entschlossen. »Die Zeiten, in denen man Juden einfach umbringen konnte und ungeschoren davonkam, sind vorüber.«
    Tiefe Verzweiflung überkam mich. Es würde immer Menschen geben, die ihre Ängste an Wehrlosen ausließen. Wenn Davids Prophezeiung wahr würde, wären die Folgen entsetzlich. Wie viele Menschen auch in den Gassen des Ghettos starben – die Christenheit wäre nie zufrieden und würde nicht ruhen, bis alle Juden in Rom getötet waren.
    »Man sollte immer den Preis dessen kennen, das man sich vornimmt«, sagte ich.
    »Wir sterben sowieso. Aber wenn wir uns nicht wehren, war alles umsonst. Dann wird es den Überlebenden genau wie Rebecca ergehen, und sie werden sich in einer Welt, in der man nicht leben darf, nur nach dem Tod sehnen. Wenn wir durch unseren Tod auch nur einigen wenigen Mut machen, sich zu wehren, oder sogar diejenigen dazu bringen,
sich zweimal zu überlegen, ob sie uns Juden angreifen, so war das alles nicht umsonst.«
    Meine Augen brannten. Ich wagte kaum zu sprechen.
    »Aber die Kinder … Benjamin … und alle anderen?«
    Der Kummer in Davids Blick war kaum zu ertragen. Einen Moment lang dachte ich, dass er wankte … Aber ich hätte ihn besser kennen sollen. Wie arrogant von mir, nicht zu spüren, dass er diesen Kampf schon vor Jahren mit sich selbst ausgefochten und gewonnen hatte, wie schwer die Last des Sieges auch immer wog.
    »Verzeiht«, sagte ich schnell, bevor er antworten konnte. »Ich habe nicht das Recht zu glauben, dass ich es besser wüsste.«
    Mit wehmütigem Lächeln drückte er meine Hand.
    »Ihr seid eine ungewöhnliche Frau, Francesca. Eine Giftkundige, die das Leben höher schätzt als diejenigen, die Euch ohne Zögern in den Schlund der Hölle wünschen. Verzweifelt nicht. Ich habe wenig Vertrauen in Gott, aber dafür umso mehr in Rodrigo Borgia. Ich hoffe, dass sein Ehrgeiz den Sieg davonträgt.«
    Ich konnte nur beten, dass er recht hatte.
    Wir trennten uns, und in kürzester Zeit war David in der Menge untergetaucht. Über die geheime Treppe in der Mauer erreichte ich ungesehen meine Räume und warf mich mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung aufs Bett. Kurze Zeit später zog ich mir die stinkenden Kleider vom Leib, die vom matschigen Wasser

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