Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
ganz steif geworden waren, und schrubbte mich vor dem kupfernen Becken von Kopf bis Fuß. Als Letztes wusch ich mir die Haare. So kostbar die Zeit auch war – ungewaschen konnte ich keinem gegenübertreten.
Nachdem ich mich frisch angekleidet hatte, flocht ich mein nasses Haar und steckte es zu einem Kranz um den Kopf. Eilig schob ich die letzten Haarnadeln in den Zopf und verließ das Zimmer.
Ich musste Vittoro unbedingt finden und erfahren, was nach unserer Flucht aus der Burg geschehen war. Aber so sehr ich auch nach ihm suchte, er war nirgends zu finden. Der Kardinal war ebenfalls nicht im Palazzo. Sein Arbeitszimmer war leer und kein Sekretär weit und breit. Zu dumm, denn sie hätten mich vielleicht aufklären können.
Offenbar blieb mir keine andere Wahl. Ich begab mich also in das kleine Gemach gleich neben dem Eingang des Palazzo, von wo aus der Verwalter alle wichtigen Leute im Blick hatte, die kamen und gingen. Als ich eintrat, saß Renaldo über die Bücher gebeugt und sah nicht einmal auf, so sehr beschäftigten ihn seine Zahlen. Erst der Klang meiner Stimme ließ ihn zusammenzucken.
»Verzeiht, Signore Renaldo, aber habt Ihr einen Augenblick Zeit?«
Ich hatte mich für Höflichkeit entschieden. Höflichkeit und Geduld mit dem nervösen kleinen Mann, damit er nicht erschrak. Fremde konnten den Eindruck haben, der Verwalter fürchte sich vor dem Kardinal, doch die Wirklichkeit war viel trauriger und tiefgreifender. Renaldo gehörte zu den armen Seelen, die ihr Leben lang Angst hatten, im nächsten Moment einen Fehler zu machen. Die kleinste Kleinigkeit, eine falsche Addition, eine Zahl, die dort nicht hingehörte, ein verlorener Beleg, eine unleserliche Rechnung – all das konnte sich zu einem Problem entwickeln, worüber man Aufklärung von ihm verlangte. Eine unerträgliche
Vorstellung. Genauigkeit war sein Schutzwall, hinter dem er sich am liebsten versteckte.
Er drehte sich um und musterte mich misstrauisch.
»Was wollt Ihr?«
»Nichts Besonderes«, versicherte ich und versuchte es mit einem ruhigen Tonfall. »Ich dachte, Ihr könntet mir vielleicht sagen, wo ich Seine Eminenz finden kann?«
Renaldo zuckte nur die Achseln und drehte mir den Rücken zu. »Wenn der Kardinal mit Euch sprechen wollte, würdet Ihr davon erfahren.«
Die Logik war nicht von der Hand zu weisen, ebenso wie der Ärger, der plötzlich in mir aufstieg. Trotz der wenigen Stunden Schlaf, die ich genossen hatte, war ich noch immer erschöpft. Die Strapazen der Nacht hatten mir mehr zugesetzt als ich wahrhaben wollte, besonders wenn man die Ereignisse der letzten Tage berücksichtigte.
Trotzdem zwang ich mich, freundlich zu bleiben.
»Ihr habt natürlich recht, Signore Renaldo. Aber ich habe eine dringende Nachricht für den Kardinal.«
»Ach ja, und was sollte das sein?« Ob es ihm Spaß machte, mich zappeln zu lassen?
Es war die reine Verzweiflung, die mich nicht aufgeben ließ. Ich beugte mich so nahe zu seinem Ohr, dass er erschrak. Ob aus Furcht, wusste ich nicht.
Als wäre er ein Liebhaber, flüsterte ich ihm zärtlich zu:
»Ich habe das neue Gift schneller entwickelt als erhofft. Es ist sehr wirkungsvoll. Seine Eminenz wollte augenblicklich darüber in Kenntnis gesetzt werden, damit er mir weitere Anweisungen bezüglich der Person geben kann, für die es gedacht ist.«
Verzeiht mir, aber der arme Mann wurde zuerst knallrot, dann leichenblass. Er ließ seine Bücher fallen. Ihm rutschte der Federkiel aus der Hand, und als er sich bückte, um ihn aufzuheben, stieß er sich den Kopf am Schreibtisch, worauf das Tintenfass gefährlich nah an den Rand rutschte und hinuntergefallen wäre, wenn ich es nicht rechtzeitig aufgefangen und wieder auf den Tisch gestellt hätte.
Inzwischen war mir Renaldos ganze Aufmerksamkeit sicher. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er mich an.
»Das verratet Ihr niemandem, nicht wahr?«, vergewisserte ich mich. »Wenn es um Gift geht, regen die Leute sich immer so auf.«
»Aber nein! Das heißt, natürlich werde ich nicht … niemandem etwas sagen. Was soll ich tun?«
»Sagt mir einfach, wohin der Kardinal gegangen ist.« Bevor er neue Ausflüchte suchen konnte, sagte ich noch: »Ich weiß, dass Ihr es wisst. Ich sehe doch, wie genau Ihr alles beobachtet. Euch entgeht nie etwas.«
Manchmal überrasche ich mich selbst, aber es gibt Zeiten, da muss man jede Scham fahren lassen.
Renaldos Gesichtsfarbe kehrte zurück, und mit einem tiefen Atemzug straffte er die Schultern, so er
Weitere Kostenlose Bücher