Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
nicht sicher war, ob ich Schuld auf mich geladen hatte, fühlte ich mich grenzenlos erleichtert. Innozenz war tot. Ob durch meine Hand oder durch natürliche Umstände, interessierte nur mich allein. Das Edikt war nicht unterzeichnet worden, so viel hatte ich einer hastig von David hingekritzelten Botschaft entnommen. Die reichtümer der Juden, die in ganz Europa gesammelt worden waren, flossen auf Borgias Konten bei der Spannocchi-Bank in Siena, wohin Cesare sich inzwischen begeben hatte. Offiziell bereitete er seine Pferde auf das Palio-rennen vor, das wie jeden Sommer in der Stadt ausgetragen wurde. In Wirklichkeit wachte er jedoch über das Geld.
So weit, so gut. Alles hätte in bester Ordnung sein können,
wenn nicht ein tiefer Schatten über allem gelegen hätte. Der Mann, der den Mord an meinem Vater befohlen hatte, schien sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch immer in den geheimen Bereichen des Vatikans aufzuhalten. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie wütend Morozzi sein musste, dass sein Plan durch den plötzlichen Tod des Papstes durchkreuzt worden war. Und wenn er vermutete, dass der Tod keine natürliche Ursache hatte, war er wahrscheinlich rasend. Es war nicht vorauszusehen, was er als Nächstes tun würde. Obendrein war er noch immer im Besitz meines Medaillons mit dem Gift, was mich keine Nacht mehr ruhig schlafen ließ. Selbst wenn Morozzi ebenfalls Zugang zu Giften hatte, so enthielt die Pastille eines der tödlichsten Gifte überhaupt.
Und nun würde dieses Gift vielleicht Borgias Leben beenden – und der Verdacht würde unmittelbar auf mich fallen. Ich allein trug die Verantwortung für das Leben des Kardinals – und hört gut zu, diese Pflicht nahm ich ernst. Doch gleichzeitig wollte ich auch mich schützen. Aber vor allem wollte ich den Mord an meinem Vater rächen und Morozzi töten, bevor er den Sieg erringen konnte. Wie, war mir im Augenblick noch nicht klar.
Mit solch düsteren Gedanken machte ich mich erneut auf die Suche nach Vittoro und fand ihn im Hof, wo er seinen Männern Anweisungen gab, wie der Palazzo gegen Eindringlinge zu verteidigen war. Als er mich sah, unterbrach er seinen Vortrag.
»Francesca.« Er lächelte mir zu. »Geht es Euch gut?«
»Einigermaßen und Euch?«
»Es ging mir nie besser. Ich hoffe, Ihr habt Euch erholt?«
Nachdem ich ihm versichert hatte, dass ich den Sturz in
den Burggraben unbeschadet überstanden hatte, beobachtete ich Vittoros Vorkehrungen. Überall waren Wachen aufgezogen, und zwar vom Eingang bis hinauf zu den Wachtürmen. Viele der Soldaten kannte ich, aber andere hatte Vittoro offenbar von den Gütern des Kardinals in die Stadt beordert, was mich überraschte.
»reisen wir dieses Mal nicht aufs Land?«, fragte ich.
Während des letzten Konklaves nach dem Tod von Sixtus IV. hatte Borgia fast seinen gesamten Haushalt aufs Land geschickt, nicht ohne die wertvollsten Besitztümer wie Teppiche, Bilder, einige Möbel und nicht zuletzt seine Schatztruhen, goldenen Teller und Pokale zusammenzupacken und ebenfalls aus dem Haus zu schaffen. Eine sehr vernünftige Vorsichtsmaßnahme für einen Mann, der allgemein als papabile , als Kandidat für die Wahl des neuen Papstes, angesehen wurde. Unter den römern ist es nämlich Sitte, das Haus des neuen Papstes zu überfallen und zu plündern, was keineswegs als mangelnder respekt oder gar Gesetzlosigkeit angesehen wird. Vielmehr ist man der Meinung, dass der Mann auf dem Papstthron in Zukunft kein persönliches Eigentum mehr benötigt.
Also bringen alle papabili vor dem Beginn des päpstlichen Konklaves ihr Eigentum in Sicherheit. Anhand der hochbeladenen Wagen, die Rom verlassen, kann man sehr genau feststellen, wie gut oder schlecht ein Kardinal seine Chancen einschätzt. Die Verlegung eines Haushalts kommt einer Erklärung gleich, dass sich der jeweilige Hausherr um den Papstthron bewirbt.
Was also sollten ich oder andere daraus schließen, dass Borgia seinen Haushalt nicht in Sicherheit brachte?
»Er schwindelt ein bisschen«, erklärte Vittoro. »Angeblich möchte er sich aus Bescheidenheit gar nicht um dieses Amt bewerben.«
Mir blieb der Mund offen stehen, und ich hätte mich fast verschluckt. Borgia war seit beinahe vierzig Jahren Kardinal, und stets hatte er Gerüchte genährt, dass er der zukünftige Papst sein wollte.
»Das ist doch Unsinn.«
Vittoro grinste.
»Natürlich, aber sehr vernünftig. Borgia sät Verwirrung, und in Situationen wie dieser ist das manchmal sehr
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