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Die Tochter des Goldsuchers

Die Tochter des Goldsuchers

Titel: Die Tochter des Goldsuchers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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letzten hatte ihr Vater alle Briefe, die sie ihm geschrieben hatte, aufbewahrt. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen, doch sie drängte sie zurück. Tränen konnten jetzt keinem von ihnen mehr etwas nützen. Aber es bedeutete ihr so viel, dass er ihre Briefe behalten hatte. Er hatte ebenso an sie gedacht wie sie an ihn.
    Er musste ihr letztes Schreiben, in dem sie ihn von ihrer bevorstehenden Ankunft unterrichtet hatte, kurz vor seinem Tod bekommen haben. Sarah hatte ihn aufgegeben, kurz bevor sie den Zug bestieg. Denn ihr Besuch sollte eine Überraschung sein, und außerdem wollte sie ihm keine Gelegenheit geben, ihr die Reise im letzten Moment noch zu verbieten.
    Hättest du das getan, Vater, dachte sie. Oder wärest du schließlich bereit gewesen, mir die Wahrheit zu sagen? Hatte er sie für zu schwach, zu verwöhnt gehalten, um bei ihm zu leben?
    Seufzend blickte sie sich um. Von vier Schlafzimmern und einem Salon mit Fenstern nach Westen hatte er ihr erzählt. Nun, das Fenster ging tatsächlich nach Westen, wenn sie Jake Redman glauben durfte. Das Haus selbst war kaum größer als das Zimmer, das sie mit Lucilla im Internat geteilt hatte. Vor allem war es zu klein für die Sachen, die sie aus Philadelphia mitgebracht hatte. Es war ihr inzwischen gelungen, die Koffer in eine Ecke zu zerren. Um es sich etwas gemütlicher zu machen, hatte sie einige ihrer Skizzen von wild wachsenden Blumen, ein Parfümfläschchen aus feinem blauen Glas, ein hübsches Petit-Point-Kissen und eine chinesische Puppe, die ihr Vater ihr zum zwölften Geburtstag geschickt hatte, ausgepackt.
    Sarah legte die Briefe in die Blechkiste neben dem Bett zurück und stand auf. Sie würde sich nun um die praktischen Dinge des täglichen Lebens kümmern. Am wichtigsten war Geld. Nachdem sie die fünf Dollar bezahlt hatte, blieben ihr nur noch zwanzig Dollar. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie damit auskommen würde, doch sehr lange gewiss nicht. Zu essen brauchte sie auch. Sarah fand etwas Mehl, ein paar Dosen Bohnen, etwas Fett und eine Flasche Whiskey. Da ihr der Magen knurrte, beschloss sie, sich zunächst einmal mit den Bohnen zu begnügen.
    Alles, was sie nun zu tun hatte, war, in der primitiven Kochstelle ein Feuer in Gang zu bringen. Sie entdeckte ein paar Zweige in der Holzkiste sowie eine Schachtel Streichhölzer. Nach einer halben Stunde erfolgloser Versuche gab sie auf.
    Jake Redman! Erbost blickte sie auf die Handvoll angekohlter Zweige herab. Der Mann hätte ihr wenigstens Feuer machen und etwas Wasser holen können. Sie war bereits unten am Bach gewesen und hatte es mit Mühe und Not geschafft, dem spärlichen Rinnsal einen halben Eimer voll abzuringen.
    Na gut, sie würde die Bohnen eben kalt essen. Diesem Jake Redman würde sie schon zeigen, dass sie sehr gut allein zurechtkam.
    Sarah zog das Bowie-Messer ihres Vaters hervor, schauderte beim Anblick der gefährlich aussehenden Klinge und schnitt den Deckel der Dose heraus. Jetzt schüttete sie den Inhalt auf einen Teller. Hungrig ließ sie sich neben der kleinen, aus Steinen gebauten Feuerstelle nieder und aß die Bohnen.
    Sie würde das Ganze eben als Abenteuer betrachten, eines, von dem sie ihren Freundinnen in Philadelphia berichten konnte. Es war immerhin aufregender als die Geschichten in den Schmökern, die sich Lucilla heimlich in der Bibliothek auszuleihen und in ihrem gemeinsamen Zimmer zu verstecken pflegte.
    Darin war die Heldin immer als ein hilfloses Wesen dargestellt, als Opfer, das darauf wartete, von einem Helden errettet zu werden. Nun, sie, Sarah, war jedenfalls nicht hilflos, und soweit sie es beurteilen konnte, befand sich auch kein Held im Umkreis von tausend Meilen.
    Jake Redman würde sie beim besten Willen nicht als solchen bezeichnen, mochte er zunächst auch diesen Eindruck erweckt haben, als er neben der Kutsche ritt. Jetzt kannte sie sein beleidigendes, ungehobeltes Wesen und sein aufbrausendes Temperament. Er entsprach ganz und gar nicht Sarahs Vorstellung von einem Helden. Falls sie gerettet werden musste, was sehr unwahrscheinlich war, dann lieber von jemandem mit mehr Lebensstil, einem Kavallerieoffizier zum Beispiel.
    Nachdem sie die Bohnen gegessen hatte, lehnte sie sich gegen die Kochstelle zurück, wobei sie prompt das Gleichgewicht verlor, weil sich ein Stein aus dem Mauerwerk löste. Sie rieb sich den schmerzenden Ellbogen, verlagerte ihre Position und wollte den heruntergefallenen Stein wieder an seine Stelle setzen. Plötzlich bemerkte

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