Die Tochter des Goldsuchers
sie etwas. Sie kauerte sich hin, steckte ihre Hand in das entstandene Loch und zog vorsichtig einen großen Beutel daraus hervor.
Im nächsten Moment schüttete sie Goldmünzen in ihren Schoß. Zweihundertdreißig Dollar. Sarah presste die Hände vor den Mund, schluckte, dann zählte sie nochmals. Kein Irrtum. Bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht gewusst, wie wichtig Geld sein konnte. Es ermöglichte ihr, sich Lebensmittel zu kaufen, Brennmaterial und was immer sie benötigte.
Sie tat die Münzen wieder in den Beutel zurück und steckte ihre Hand erneut in das Loch. Diesmal entdeckte sie eine Urkunde, die ihren Vater als Besitzer der Mine auswies.
Was für ein seltsamer Mann er gewesen sein musste! Seine Reichtümer hinter einem Stein zu verstecken!
Ihr letzter und kostbarster Fund aber war sein Tagebuch. Sarah war entzückt. Das kleine braune Buch bedeutete ihr mehr als alle Goldmünzen Arizonas. Tief bewegt drückte sie es an sich. Bevor sie darin blätterte, verstaute sie das Gold und die Urkunde wieder in ihrem Versteck.
Sie nahm sich vor, jeden Abend im Tagebuch zu lesen. Seine geheimsten Gedanken zu erfahren, würde bedeuten, ihrem Vater ganz nahezukommen. Und das war ein Geschenk, das sie unendlich glücklich machte. Jetzt wollte sie erst noch einmal zum Bach hinuntergehen und sich waschen, so gut es ging, und Wasser für den Morgen holen.
Jake sah Sarah aus der Hütte kommen, in der einen Hand einen Eimer, in der anderen eine Laterne. Er hatte es sich zwischen den Felsen bequem gemacht. In seinen Satteltaschen hatte er genügend Dörrfleisch und Schiffszwieback, falls er Hunger bekommen sollte.
Er hatte nicht die blasseste Ahnung, weshalb er sie nicht aus den Augen ließ. Die Dame war nicht sein Problem. Und dennoch, während er schimpfend sein Pferd in Richtung Stadt gelenkt hatte, war ihm sofort klar gewesen, dass er nicht einfach so davonreiten und sie allein lassen konnte.
Vielleicht, weil er wusste, was es bedeutete, alles zu verlieren. Oder weil er gar nicht daran denken mochte, wie lange er selbst schon allein war. Oder vielleicht hatte es auch, verdammt noch mal, mit der Art zu tun, wie sie von dem Hügel heruntergekommen war, die Haube an den Bändern schlenkernd, die Tränen auf den Wangen noch nicht ganz getrocknet.
Er hätte nicht gedacht, dass er eine schwache Stelle hatte. Und ganz gewiss nicht, was Frauen betraf. Jake raffte sich auf, um ihr nachzugehen. Er hatte sowieso nichts Besseres zu tun.
Unauffällig folgte er ihr. Er konnte sich geräuschlos bewegen, bei Tag und bei Nacht. Einige Jahre seiner Jugend hatte er bei dem Volk seiner Großmutter verbracht und dort gelernt, wie man lautlos und ohne Spuren zu hinterlassen verfolgte und jagte.
Was Sarah Conway betraf, so trug sie immer noch den eleganten Rock und die Schuhe, die eher für städtische Boulevards als für unebenes Gelände geeignet waren. Zweimal musste Jake stehen bleiben und warten, um ihr nicht zu nahe zu kommen. Wahrscheinlich wird sie sich die Knöchel brechen, dachte er, und das wäre vielleicht am besten. Dann würde er sie einfach in die Stadt zurückfahren. Nein, die hübsche Lady aus Philadelphia würde es hier keinen Tag aushalten.
Am Bach angekommen, ließ sich Sarah auf einem Felsblock nieder und begann, die Schnürsenkel ihrer Stiefeletten zu lösen. Es war ein himmlisches Gefühl, sich die Schuhe auszuziehen, und sie freute sich darauf, sich abzukühlen.
Vorsichtig sah sie sich um. Es konnte niemand in der Nähe sein. Das Gefühl, beobachtet zu werden, ist nur natürlich bei einer Frau, die sich bei Sonnenuntergang allein in der Wildnis befindet, sagte Sarah sich. Sie nahm die Brosche ab, die ihre Bluse am Hals zusammenhielt, und verstaute sie sorgfältig in ihrer Rocktasche. Das Schmuckstück hatte einmal ihrer Mutter gehört und war das Einzige, was Sarah von ihr besaß.
Dann knöpfte sie, eine Melodie vor sich hin summend, ihre Bluse auf und legte sie ordentlich über einen Felsen. Erleichtert entledigte sie sich jetzt auch ihres Korsetts. Nun konnte sie zum ersten Mal an diesem Tag wirklich tief atmen. Schnell entkleidete sie sich bis auf das Unterkleid, dann streifte sie sich die Strümpfe ab.
Herrlich! Sie schloss die Augen und stöhnte leise vor Vergnügen, als sie in den knöcheltiefen kalten, klaren Bergbach stieg.
Was fiel ihr denn nun wieder ein? Jake stieß einen leisen Fluch aus und wandte hastig den Blick ab. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Wer hätte denn auch gedacht, dass sich
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