Die Tochter des Goldsuchers
Sarah trat. »Ma kümmert sich heute um den Laden. Ich soll Ihnen das hier bringen. Es ist einer ihrer Zimtkuchen.«
»Das ist aber lieb. Können Sie ein wenig bleiben?«
Liza lächelte, wobei sich Grübchen auf ihren Wangen zeigten. »Das hatte ich gehofft.«
»Dann treten Sie doch bitte näher. Ich mache uns Tee.«
Während Sarah am Herd hantierte, schaute sich Liza in der winzigen Hütte um. Alles war blitzblank und aufgeräumt. »Es sieht ja gar nicht so schlimm aus, wie ich es mir vorgestellt habe.« Kaum war es heraus, schlug sie sich erschrocken die Hand vor den Mund. »Tut mir leid. Ma sagt auch immer, ich rede mehr, als gut für mich ist.«
»Ist doch nichts dabei.« Sarah stellte zwei Blechtassen auf den Tisch und wünschte, sie wären aus Porzellan. »Auch ich war überrascht.«
Beruhigt nahm Liza Platz. »Ich hätte nicht damit gerechnet, Jake Redman hier draußen zu begegnen.«
Schwungvoll stach Sarah das Messer in den Zimtkuchen.
»Ich auch nicht.«
»Er sagte, Sie hätten Ärger gehabt.«
Unbewusst berührte Sarah ihren Mund. Er war immer noch leicht geschwollen von seinem Kuss. Und ob sie Ärger gehabt hatte! »Jemand hat gestern Nacht die Scheune angezündet.«
»Nein! Wer macht denn so etwas? Warum bloß?«
»Ich weiß es wirklich nicht. Zum Glück kam aber Mr Redman gerade vorbei.«
»Glauben Sie, er könnte es getan haben?«
Sarahs Augenbrauen gingen in die Höhe, während sie diese Möglichkeit erwog. Sie dachte daran, wie er ihr das Gesicht gewaschen und sich um ihre Verletzungen gekümmert hatte. »Nein, ganz gewiss nicht. Ich glaube, Mr Redman hat eine direktere Art, Dinge anzupacken.«
»Damit dürften Sie recht haben. Eigentlich ist er auch hier in Lone Bluff noch nie unangenehm aufgefallen, höchstens dass er mal mit anderen Störenfrieden kurzen Prozess gemacht hat.«
»Was wissen Sie denn sonst über ihn?«
»Ich glaube, keiner weiß viel über ihn. Vor etwa sechs Monaten kam er in die Stadt. Natürlich hat jedermann von Jake Redman gehört. Manche behaupten, er habe mehr als zwanzig Männer in Revolverduellen getötet.«
»Getötet?« Sarah blickte fassungslos drein. »Aber warum denn nur?«
»Es heißt, ein Rancher oben im Norden habe ihn angeheuert. Dort soll es Ärger gegeben haben. Viehdiebstähle, Brandstiftung …«
»Man hat ihn angeheuert?« Sarah schauderte. »Um zu töten?«
»Darauf läuft es wohl hinaus. Jedenfalls weiß ich, dass eine ganze Menge Leute ziemlich nervös wurden, als er in die Stadt geritten kam und sich ein Zimmer bei Maggie O’Rourke nahm.« Liza brach sich ein Stück vom Zimtkuchen ab, den Sarah ihr serviert hatte. »Redman schien keinen Streit zu suchen, aber etwa zwei Wochen später wurde er in eine Auseinandersetzung mit hineingezogen.«
Ein gedungener Mörder, dachte Sarah verstört. Und sie hatte ihn geküsst, und auch noch in einer Weise, wie eine Lady keinen Mann küsste, mit dem sie nicht verheiratet war. »Was war denn los?«
»Jim Carlson war im ›Bird Cage‹. So heißt einer der beiden Saloons im Ort.«
»Carlson?«
»Ja, Samuel Carlsons Bruder. Jim ist ganz anders als Samuel. Ein ganz gemeiner Kerl. Großspurig, angeberisch, tyrannisch. Er betrügt beim Kartenspiel, und keiner hatte den Mut, ihn deswegen zur Rede zu stellen, bis er an Jake geriet.«
Liza trank einen Schluck Tee und lauschte mit halbem Ohr dem Kriegsgeschrei ihres kleinen Bruders draußen im Hof. »Wie ich gehört habe, gab es Streit am Kartentisch. Jim war betrunken und ein wenig nachlässig beim Geben. Als Jake ihn darauf ansprach, fielen auch ein paar von den anderen mit ein. Dann soll Jim seinen Revolver gezogen haben. Jeder dachte, Jake würde ihm auf der Stelle eine Kugel verpassen, stattdessen schlug er ihn nur zu Boden.«
»Er hat ihn nicht erschossen?« Eine Welle der Erleichterung durchflutete Sarah. Vielleicht war er ja doch nicht so schlecht, wie die Leute behaupteten.
»Nein. So, wie ich es gehört habe, hat Jake ihm eine tüchtige Abreibung verpasst, ihm den Revolver abgenommen und diesen dem Barkeeper zur Aufbewahrung übergeben. Inzwischen war bereits jemand zum Sheriff gelaufen. Als der in den Saloon kam, stand Jake an der Bar und trank einen Whiskey, während Jim sich mühsam vom Boden aufrappelte. Ich glaube, Sheriff Baker wollte Jim zur Ausnüchterung über Nacht in eine Zelle stecken, doch als er ihn am Kragen packte, zog Jim ihm plötzlich den Revolver aus dem Holster und wollte Jake hinterrücks erschießen. Aber Jake war
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