Die Tochter des Goldsuchers
blickte sie zum Himmel empor. Gleich darauf nahm sie die Flasche Whiskey vom Wagen und sah, wie seine Augen aufleuchteten. »Wenn Sie die haben wollen, müssen Sie zuerst Ihr Hemd ausziehen.«
Er rieb sich das Kinn. »Wie bitte, Ma’am?«
»Die Hose ebenfalls. Ich will, dass Sie sich splitternackt ausziehen.«
Nervös nestelte er an seinem Halstuch herum. »Darf ich fragen, warum Sie so etwas von mir verlangen, Miss Conway?«
»Ich will Ihre Sachen waschen. Der Gestank ist ja nicht mehr auszuhalten. Währenddessen können Sie sich das Stück Seife nehmen, das ich gekauft habe, und das Gleiche mit sich selber tun.«
»Aber Miss, ich …«
»Wenn Sie sauber sind – und nicht eher –, bekommen Sie die Flasche. Mit einem Eimer Wasser und der Seife gehen Sie in den Schuppen. Danach entkleiden Sie sich und werfen Ihre Sachen hinaus.«
Lucius, der sich nicht sicher war, ob er an diesem Arrangement Gefallen finden sollte, blickte verwirrt drein. »Und wenn ich es nicht tue?«
»Dann werde ich die Flasche bis zum letzten Tropfen in den Sand ausschütten.«
Lucius schlug das Herz bis zum Hals, während er davonstampfte. Er hatte eine Todesangst, dass sie ihre Drohung wahr machen könnte.
7. K APITEL
Sarah krempelte die Ärmel ihrer ältesten Hemdbluse hoch, steckte den schwarzen Rock auf und machte sich an die Arbeit. Es wäre besser, sie zu verbrennen, dachte Sarah, als sie Lucius’ steife Drillichhose in den Bach tauchte. Das Wasser verfärbte sich sofort schlammbraun. Mit einem Laut des Ekels tauchte sie sie erneut ein. Es würde nicht leicht sein, sie auch nur halbwegs sauber zu bekommen, aber sie war zu allem entschlossen.
Sauberkeit kommt gleich nach Gottesfürchtigkeit. Das war einer der Sprüche, die an der Wand des Büros der Mutter Oberin hingen. Nun, sie würde Lucius so nahe an Gott heranführen, wie es nur menschenmöglich war. Ob es ihm nun gefiel oder nicht.
Sie lächelte. Der Ausdruck in seinem Gesicht, als sie damit gedroht hatte, den Whiskey auszuschütten, war wirklich zu komisch gewesen. Armer Lucius. Er mochte hart und verkrustet wirken, aber im Grunde war er ein warmherziger Mann, der nur eine Frau brauchte, die ihm den rechten Weg zeigte.
Wie die meisten Männer. Jedenfalls hatte Lucilla das immer behauptet. Während sie Lucius’ verschlissenes Hemd gegen die Steine schlug, fragte sich Sarah, was ihre Freundin wohl von Jake Redman gehalten hätte. Zugegeben, er konnte auch nett sein. Es verblüffte sie, wenn immer wieder einmal dieser Zug von Gutherzigkeit bei ihm zum Vorschein kam. Leider nur kurz, dachte sie bedauernd. Und meistens tat er gleich anschließend etwas Unentschuldbares.
Zum Beispiel, als er sie küsste, bis ihr der Atem wegblieb, ihr Kopf leer war und sie ein brennendes Sehnen erfüllte. Er hatte kein Recht gehabt, das zu tun, und noch weniger, danach wegzugehen und sie verwirrt zurückzulassen.
Ohrfeigen hätte ich ihn sollen, dachte sie und schlug das nasse Hemd gegen den Felsen, dass es nur so klatschte. Dann wäre er das nächste Mal nicht mehr so unverschämt gewesen.
Das nächste Mal … Doch es wird kein nächstes Mal geben, schwor sie sich. Wenn Jake Redman mich noch einmal berührt, dann … dann werde ich … dahinschmelzen wie Wachs, gestand sie sich ein. Oh, sie hasste ihn dafür, dass sie sich wünschte, er möge sie noch einmal berühren.
Wenn er sie ansah, schlug ihr Herz schneller. Unter dem durchdringenden Blick seiner dunklen Augen hatte sie das Gefühl, er konnte ihr bis auf den Grund der Seele schauen.
Das alles war doch Unsinn. Er war ein Mann, der sich mithilfe seines Revolvers den Lebensunterhalt verdiente, der sich ohne Bedauern, ohne Schuldgefühle nahm, was er wollte. Ihr dagegen hatte man beigebracht, dass die Grenze zwischen Recht und Unrecht klar war und nicht überschritten werden durfte.
Töten war die größte, die unverzeihlichste Sünde. Und er hatte getötet, würde zweifellos wieder töten. Diese Gewissheit verbot es ihr eigentlich, irgendetwas für ihn zu empfinden. Aber genau das tat sie, sie sehnte sich nach ihm, brauchte ihn.
Gewaltsam riss sie sich aus ihren Träumereien. Solche Gedanken, Gedanken an Jake, durfte sie einfach nicht zulassen. Wenn schon, dann lieber an einen Mann wie Samuel Carlson, einen gesitteten, feinsinnigen Gentleman, der wusste, wie man eine Lady behandelte. Von ihm brauchte sie keine leidenschaftlichen Küsse zu erwarten. Bei ihm konnte sich eine Frau liebevoll umsorgt und geborgen fühlen.
Dennoch
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