Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
zurückweisen, nachdem er sich so viele Jahre geweigert hatte, das Wort auszusprechen? Er verdiente es nicht anders.
Sie blickte fast furchtsam zu ihm herüber; vielleicht erwartete sie, ein ironisches Grinsen auf seinem Gesicht zu sehen. Doch er sah ihr ernst in die Augen.
Tränen, die Tränen, die sie ihm unter keinen Umständen hatte zeigen wollen, stiegen in ihre Augen und flossen über ihre gepuderten Wangen.
Wieder ein leichtes Nicken. Dann ein Flüstern, so leise, dass er es kaum hören konnte:
»Danke, mein Junge.«
Drei Wochen nach der Rückkehr der Smallwoods nach Longstaple traf ein Brief ein, adressiert an Emmas Vater und sie. Emma erkannte die Handschrift von Rowan Weston; zumindest hoffte sie, dass es Rowans Handschrift war und nicht wieder einer von Julians Streichen. Sie ging mit dem Brief ins Pfarrhaus, damit ihr Vater ihn zuerst lesen konnte.
Er tat es, dann reichte er ihn ihr und sagte: »Ich glaube, es ist ganz gut, dass er Kunst studieren will, denn wenn er jetzt doch noch zu uns ins Pensionat kommen wollte, wäre die Unterbringung bei Mrs Welborn und ihren vielen Kindern sicher ein raues Willkommen.«
Emma war seiner Ansicht und las den Brief.
Lieber Mr Smallwood, liebe Miss Smallwood,
ich hoffe, Sie sind bei bester Gesundheit und glücklich. Ich möchte mich noch einmal für die Missetaten entschuldigen, unter denen Sie während Ihres Aufenthalts auf Ebbington Manor zu leiden hatten. Und für meine törichte Beteiligung an dem letzten Unglück kann ich mich gar nicht genug entschuldigen. Ich bete darum, dass Sie mir verzeihen.
Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich Ebbington verlasse, um Kunst zu studieren. Hätte Henry meinen Vater nicht überzeugt, mir diese Möglichkeit zu bieten, wäre es mein Wunsch gewesen, zu Ihnen nach Longstaple zu kommen, um dort zu lernen, auch wenn es, wie ich wohl weiß, anmaßend ist zu denken, dass Sie mich aufgenommen hätten.
Julian musste zur See gehen, zu einem ehemaligen Kapitän der Marine, einem alten Freund von Vater. Wir alle hoffen, dass die Disziplin des Lebens auf dem Schiff seinen Charakter bessert. Ich werde meinen Bruder vermissen, das kann ich nicht leugnen, aber gleichzeitig fühle ich mich frei, als sei ein schweres Joch von meinen Schultern genommen – eines, dessen Vorhandensein ich kaum bemerkt hatte und das ich erst jetzt spüre, an der Erleichterung, nachdem es fort ist. Mama sagt, ich bin schon wieder fünf Zentimeter größer als noch vor ein paar Wochen, aber sie übertreibt zweifellos, wie alle Mütter es tun.
Lizzie ist ebenfalls fort. Mama und Henry haben sie nach Falmouth begleitet, sie wird von jetzt an wieder bei ihrer Mutter leben. Und obwohl Mama es nie zugeben würde, glaube ich, dass sie Lizzie lieb gewonnen hat und sie vermissen wird, trotz ihrer Verbindung zu Mr Teague.
Mama hofft auf glücklichere Zeiten für die Familie Weston. Sie rechnet noch immer mit einer Heirat mit Miss Penberthy, doch nach den neuesten Skandalen wird sie, fürchte ich, vergebens hoffen.
Die Felshalbinsel sieht so leer aus, so nackt ohne die Kapelle. Henry und ich sind nicht die Einzigen, die den Verlust beklagen. Ein Mann aus dem Dorf, ein Richter, hat zwei meiner Gemälde gekauft, die die Chapel of the Rock zeigen, wie sie so viele Jahre lang war. »Eine Möglichkeit, die Geschichte des Ortes zu bewahren«, hat er gesagt.
Ich sage: die nötigen Mittel, um mein Kunststudium zu finanzieren.
Ich kann noch immer kaum glauben, dass die Kapelle wirklich in jenem Sturm untergegangen ist, nur wenige Minuten, nachdem Sie, Miss Smallwood, und Henry daraus befreit wurden. Ich bin überglücklich, dass ich Sie schließlich trotz meines anfänglichen Fehlverhaltens doch noch retten konnte.
Ich wünsche Ihnen beiden ein langes und glückliches Leben.
Herzlichst
Rowan Weston
Emma freute sich sehr für Rowan und war ihm nicht böse. Und sie empfand auch keine Genugtuung, als sie von Julians Schicksal erfuhr. Das Leben auf See konnte hart sein, das hatte sie gelesen. Und sehr gefährlich. Er tat ihr leid. Aber noch mehr bedauerte sie seine Eltern.
Sie fragte sich, ob Lady Weston noch immer hoffte, dass Henry – oder Phillip – Miss Penberthy heiratete, vor allem jetzt, da Lizzie Ebford verlassen hatte. Jedenfalls konnte sie sich eher vorstellen, dass einer der beiden Tressa Penberthy heiratete als Lizzie Henshaw. Ob Phillip Lizzie jetzt wohl aufgegeben hatte oder ob er immer noch an ihr hing? Und Lizzie, wie es ihr wohl ging?
Emma hätte
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