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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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niemandem etwas zuleide getan.«
    »Man kennt den Täter nicht«, sagte Fulvia und wischte sich mit einem Ärmel über das Gesicht. »Die Garde hat den Mord noch am selben Tag untersucht, aber wenig Eifer gezeigt. Er war halt nur ein alter Narr, kein Bischof oder gar ein Kardinal.«
    Giulia legte Fulvia eine Hand auf die Schulter. »Nein«, flüsterte sie, »er war alles andere als ein Narr.« Sie überlegte kurz, ob sie Fulvia die Wahrheit über Pippo verraten sollte, entschied sich aber dagegen. Dafür blieb später noch Zeit.
    »Die Garde sagte, man hätte dich und Pippo am Abend vor eurer Abreise zusammen gesehen«, sagte Fulvia. »Kannst du dich an irgendetwas erinnern, das den Mord erklären könnte?«
    Giulias Gedanken rasten. So viel war seit diesem Abend vor vielen Wochen geschehen. Sie erinnerte sich sehr genau an das Gespräch mit Pippo. Sie erinnerte sich an den klaren Glanz in seinen Augen und an das große Geheimnis, das über Jahrzehnte dahinter verborgen gelegen hatte. Und sie erinnerte sich, dass sie Kardinal Carafa von Pippos Verdacht berichtet hatte. Und zwar nur dem Kardinal allein. So setzte sich in ihrem Kopf das Mosaik Stück für Stück zusammen, und sie erkannte, dass sie den Fehler begangen hatte, der Pippo das Leben kostete. Sie schloss die Augen. »Hält sich Kardinal Carafa im Petersdom auf, Fulvia?«, wollte sie wissen.
    »Ich sah ihn vor Kurzem in die Krypta hinabsteigen«, antwortete Fulvia. »Warum willst du zu ihm? Weißt du, wer Pippo ermordet hat?«
    »Später«, sagte Giulia. Sie wandte sich um ohne ein weiteres Wort. So schnell ihre Beine sie zu tragen vermochten, eilte sie durch die Gänge und Hallen, bis sie die Vierung unterhalb der riesigen Kuppel erreichte. Vor dem schmalen Eingang zur Krypta standen zwei Gardisten Wache. Eine enge Treppe führte in die Vatikanischen Grotten unterhalb des Petersdoms hinab. Vorsichtig, um den Halt nicht zu verlieren, stieg Giulia hinunter. Kühle, moderige Luft hüllte sie ein. Die wenigen Kerzen und Fackeln tauchten die Umgebung in düsteres Licht, in der ein Dutzend Päpste und der deutsche Kaiser Otto II. ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Der nackte Fels zeigte noch deutlich die Spuren der Äxte, die die Krypta vor Ewigkeiten in den Stein getrieben hatten. Der Untergrund war uneben, die Decke so niedrig, dass Giulia kaum aufrecht stehen konnte.
    »Ich habe dich erwartet«, sagte plötzlich eine Stimme, die ebenso düster und kalt war wie die Krypta selbst.
    Giulia erschrak und fuhr herum. Carafa trat aus einer Kammer, in der die Gebeine Papst Gregors V. ruhten. Wut stieg in Giulia auf und verdrängte die Angst, die sie vor diesem Mann empfand. »Ihr habt den guten Pippo meucheln lassen«, entfuhr es ihr. »Ihr allein könnt die Verantwortung für diesen Mord tragen!«
    Carafa schien unbeeindruckt. Er lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme. »Du hast gewiss Beweise.«
    »In der Tat«, sagte Giulia. »Nur Ihr wusstet aus meinem Munde, dass Pippo unter den Gardisten den Mann erkannt hatte, der vor einem Jahr versucht hat, den Heiligen Vater zu ermorden.«
    Carafa lachte heiser auf. »Das ist kein Beweis.«
    Giulia trat auf Carafa zu. »Ihr habt die Garde austauschen lassen, um mich zu beruhigen«, fuhr sie fort. »Ihr habt Eurem Mordbuben den Auftrag gegeben, in der Verkleidung eines Dieners den Heiligen Vater zu begleiten. Doch ich muss Euch enttäuschen. Euer Plan schlug fehl, Euer Handlanger ist tot. Seine Heiligkeit lebt!«
    Erst jetzt zeigte Carafa eine Regung. Sein Körper spannte sich. Es schien, als wollte er sich auf Giulia stürzen. »Das Wort einer Nonne steht gegen das eines Kardinals«, sagte er. »Wem, denkst du, schenkt man mehr Glauben?«
    »Er hat Euren Namen genannt, bevor er qualvoll starb«, log Giulia.
    »Das ist nicht wahr!«, zischte Carafa und langte mit seinen Fingern nach Giulias Hals.
    Mit einem Sprung zur Seite rettete Giulia sich vor Carafas Griff. Hinter einem Sarkophag suchte sie Schutz. »Nun habt Ihr Euch selbst verraten«, rief sie. »Der Heilige Vater soll alles von mir erfahren.«
    Wütend schlug Carafa mit der Faust auf den Deckel des Sarkophags. »Niemals«, keuchte er. Er wandte den Kopf zurück zur Treppe. »Wache!«
    Giulia zuckte zusammen. »Was habt Ihr vor?«, fragte sie. Sie fürchtete, Carafa würde sie auf der Stelle erschießen lassen.
    Sofort erklang das Trampeln von Stiefeln. Die beiden Gardisten eilten herbei und sahen Carafa fragend an.
    Mit ausgestrecktem Arm zeigte

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