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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Portal. Ich bürge für die Dame.«
    Jetzt kam der andere Gardist seinem Kameraden zur Hilfe. »Wir haben Anweisung, niemanden einzulassen. Zudem dürfte die Verhandlung jeden Augenblick mit dem Schuldspruch beendet sein. Wartet bis dahin.«
    Wie ein Racheengel baute sich die kleine, schmal gebaute Rufina vor den Gardisten auf. »Jetzt hört mir einmal zu!«, zischte sie. »Wenn Ihr uns nicht unverzüglich …« Weiter kam sie nicht, denn ein weiterer Gardist kam herbeigelaufen.
    »Was treibt ihr hier?«, fragte er seine Kameraden atemlos.
    »Wir stehen Wache«, war die Antwort. »Was soll die Frage?«
    »Habt ihr den Alarm nicht gehört?«
    »Gewiss«, sagte eine der Wachen. »Doch unser Befehl lautet, die Verhandlung der Rota zu hüten.«
    Der hinzugekommene Gardist schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Ihr Narren!«, rief er. »Auf dem Petersplatz sind Hunderte Soldaten der Barone Roms aufmarschiert. Wir müssen den Heiligen Vater schützen. Folgt mir auf der Stelle!«
    Die Gardisten nahmen ihre Hellebarden auf. »Ihr rührt Euch nicht«, befahl er Rufina. »Solltet Ihr durch diese Türen gehen, ist Euch der Tod gewiss.« Er unterstrich seine Worte mit einer eindeutigen Geste an seiner Kehle. Dann rannten die Gardisten fort, als wäre der Leibhaftige hinter ihren Seelen her.
    Rufina sah ihnen nach. »Wie lautet Euer Name?«, fragte sie die junge Dame.
    »Allegra«, sagte diese.
    Rufina lächelte. »Gut, Allegra. Seid Ihr bereit, an diesem Orte Gerechtigkeit walten zu lassen? Auch wenn dies eine Gefahr für Euer Leben bedeuten würde?«
    »Das bin ich«, sagte Allegra.
    Entschlossen legten sie ihre Hände auf den Griff der Flügeltüren.
    Indessen ging die Verhandlung ihrem Ende entgegen. Carafa hatte der Rota, wenn auch erlogene, doch unwiderlegliche Beweise für Giulias Schuld vorgetragen. Die Aussagen der Zeugen hatten seine Anschuldigungen untermauert. Giulia wartete auf den Schuldspruch, der ihrem Leben ein Ende setzen würde.
    »Angeklagte«, sagte Castagna, »die Römische Rota sieht Eure Schuld als erwiesen an. Wollt Ihr noch immer schweigen? Ihr habt nun die Gelegenheit, ein letztes Mal zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.«
    »Euer Eminenz«, sagte Giulia. »Ihr habt meine Schuld bereits festgestellt. Was erwartet Ihr von mir?« Einer der Auditoren meldete sich zu Wort. »Bekennt Eure Schuld«, sagte er, »und Euch wird die Milde der Erdrosselung gewährt. So wird allein Euer toter Leib dem Feuer überantwortet.«
    Giulia dachte nach. Der Auditor hatte recht. Der Scheiterhaufen war ihr längst gewiss. Würde man sie zuvor erdrosseln, wäre das in der Tat eine Gnade, die Ketzern selten zuteil wurde. Ihre Knie zitterten, als sie aufstand und den Mund öffnete. »Ehrwürdige Römische Rota«, sagte sie gedehnt, »hiermit …«
    »Halte ein, mein Kind!«, rief da eine Stimme in Giulias Rücken, die sie unter Tausenden erkannt hätte.
    Giulia fuhr herum. »Mutter!«, stieß sie hervor, und Tränen flossen aus ihren Augen. Mutter Rufina stand mit erhobenen Fäusten im Eingang zum Gerichtssaal. Es musste ein Traum sein!
    Durch die schmale Gasse stürmte Rufina auf Giulia zu. Da erblickte die Äbtissin das Gesicht Carafas und blieb abrupt stehen, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. »Ihr?«, fragte sie ungläubig.
    Carafa fuhr zurück. »Nein!«, stöhnte er auf. »Das ist unmöglich!«
    Rufina schien sich schnell zu fangen. Sie ließ ihren Blick über die Runde der Auditoren schweifen und deutete auf Carafa. »Ehrwürdige Römische Rota«, sagte sie mit klarer Stimme, »dieser Mann ist ein Betrüger. Ein Dieb und Mörder.«
    »Sie lügt!«, brüllte Carafa. »Sie ist eine Hure Satans!«
    »Vor zwanzig Jahren fand ich ihn und seine Gefährtin in einer Kirche in Giulianova«, fuhr Rufina unbeirrt mit lauter Stimme fort. »Bevor sie in meinen Armen starb, gebar sie ein Kind. Dieser Mann, der heute vor Euch in den Kleidern eines Kardinals steht, trug damals die Soutane eines einfachen Priesters. Er gab das Kind in meine Obhut und verschwand. Noch in derselben Nacht erschienen Soldaten des Landvogts. Sie suchten einen Mann, der sich als Priester ausgab, und seine Gefährtin. Die beiden hatten Kirchenschätze im ganzen Land geraubt und dabei sogar zwei Geistliche getötet, von denen sie auf frischer Tat ertappt worden waren.«
    Carafa war kreidebleich. »Glaubt ihr kein Wort«, stammelte er. »Sie lügt!«
    Unruhe kam im Gerichtssaal auf. Einige Kardinäle und Bischöfe waren aufgestanden.

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