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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Die Auditoren steckten die Köpfe zusammen und flüsterten miteinander.
    Jetzt hielt Giulia den Moment für gekommen, ihr Schweigen zu brechen. »Ehrwürdige Rota«, rief sie, um das Stimmengewirr im Saal zu übertönen. »Kardinal Carafa holte mich vor einem Jahr nach Rom, damit ich in seinem ureigenen Auftrag den Heiligen Vater bespitzele. Er versicherte mir, dass es allein zum Schutze Seiner Heiligkeit geschehen sollte, doch heute weiß ich, dass es ihm darum ging, Hinweise aus der nächsten Umgebung des Heiligen Vaters zu erhalten, Hinweise, die ihm helfen sollten, Papst Sixtus V. zu ermorden, um selbst den Heiligen Stuhl besteigen zu können.«
    »Ihr wollt der verurteilten Ketzerin doch keinen Glauben schenken?«, rief Carafa.
    »Ich kann das bereits Vorgebrachte unter Eid bestätigen«, erklang plötzlich die feste Stimme einer jungen Frau.
    »Nein!«, keuchte Carafa. »Nicht du!«
    Giulia fuhr herum. Eine in einen Mantel gehüllte Gestalt, die Kapuze tief in das Gesicht gezogen, betrat den inneren Kreis und stellte sich neben sie. Die Frau nahm mit einer Hand ihre Kapuze und zog sie in den Nacken. Ein Aufschrei ging durch die Menge, als sie das Gesicht sahen. Es war völlig entstellt. Noch nicht verheilte Wunden zogen sich wie rostbraune, mäandernde Flüsse durch das ganze Antlitz. Giulia erkannte sie trotz der Wundmale. Sie hatte sich ihr, Giulia, als Contessa di Contini vorgestellt, nachdem sie einander in Carafas Gemächern begegnet waren.
    »Mein Name lautet Allegra«, sagte sie. »Einst war ich die Hure dieses Mannes, den Ihr als Kardinal Carafa kennt. Und ich sage Euch, es ist alles wahr. Er plante eine Verschwörung mit dem Ziel, den Heiligen Vater zu ermorden. Mich bestrafte er mit der Hurenstrafe, als ich drohte, ihn zu verraten.«
    Gehetzt blickte Carafa sich um. Stimmen wurden lauter, die forderten, ihn zu verhaften. Die Auditoren verharrten in ungläubiger Starre. Nur Castagna schlug unentwegt mit dem Hammer auf den Tisch.
    Plötzlich war deutlich das Scheppern einer Rüstung zu vernehmen. Giulia schaute zum Eingang und erkannte Geller, der mit einem aufgebrachten edlen Herrn in goldener Rüstung den Saal betrat. Der nahm Anlauf und stürmte in den inneren Kreis.
    »Mattei!«, rief Carafa. »Was habt Ihr hier verloren?«
    »Elender Ehebrecher!«, brüllte Mattei und schlug zu.
    Der Hieb traf Carafa am Kinn. Er taumelte zurück, fing sich dann jedoch wieder. Mit gesenktem Kopf stürzte er sich auf Mattei, prallte gegen den Brustharnisch und stolperte zurück. Plötzlich hielt er die Pistole, die zuvor in Matteis Gürtel gesteckt hatte, in der Hand. »Sterbt, verfluchter Bastard!«, rief er aus.
    Im selben Augenblick warf Mattei sich zu Boden. Carafa zog den Abzug, es gab einen Knall, Pulverdampf hüllte die Umgebung ein. Jemand schrie. Es war Allegra. Die Kugel hatte Mattei verfehlt und war stattdessen in ihre Brust eingedrungen. Ein Faden dunkelroten Blutes sickerte aus ihrem Mund. Anklagend und zugleich traurig schaute sie Carafa an. Dann wurden ihre Augen starr, leblos sank sie nach hinten.
    »Capitano!«, brüllte Castagna Geller an und fuchtelte wild mit den Armen. »Erschießt den Betrüger!«
    Carafas Kopf ruckte zu Castagna herum. »Ihr dreimal verfluchter …« Er packte die Pistole am Lauf und schleuderte sie auf Geller, der soeben seine eigene Waffe gezogen hatte. Geller musste ausweichen. Das verschaffte Carafa gerade genügend Zeit, um neben Castagna über den Tisch zu springen, auf die kleine Tür an der Rückwand zuzulaufen und hindurchzuschlüpfen. Einen Wimpernschlag später schlug die Kugel aus Gellers Pistole an der Stelle ein, an der sich eben noch Carafa befunden hatte.
    Geller folgte Carafa. Er versuchte, die Tür zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. »Er hat sie von innen verriegelt«, rief er Castagna zu.
    »Sucht ihn!«, schrie Castagna außer sich. Speichel sprühte aus seinem verzerrten Mund. »Findet ihn und tötet ihn auf der Stelle!«
    Durch die Menge der entsetzten Zuschauer rannte Geller auf das große Portal zu. Da erschien Giulia an seiner Seite. »Ich komme mit Euch, Francesco.«
    »Wartet hier«, erwiderte Geller. »Es ist zu gefährlich für Euch.«
    »Nie und nimmer bleibe ich hier«, sagte Giulia.
    »Ich komme ebenfalls mit!«, rief Mattei. »Lasst mich diesen Bastard eigenhändig töten.«
    Gemeinsam durchquerten sie die Hallen und Gänge des Petersdoms, bis sie den mächtigen Eingangsbereich der Basilika erreichten. Dort standen noch immer die Gardisten

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