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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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ihren Schilderungen zeigte er kaum Interesse und schickte sie bald fort.
    Giulia machte sich keine Gedanken über Carafas Verhalten. Bestimmt war die harsche Zurechtweisung des Papstes der Grund dafür. Sie erinnerte sich an Gazettis Worte und suchte in den endlosen Gängen nach Mutter Prudenzia.
    Doch Prudenzia schien vom Erdboden verschluckt zu sein. Giulia war nicht sonderlich traurig darüber. In der Küche schließlich fand sie Schwester Regina. Diese schaute in die Töpfe, naschte hier und da und scherzte mit den Köchen. Als sie Giulia erblickte, kam sie aufgeregt gelaufen. »Ich habe es soeben vernommen«, stöhnte sie. »Ist der Heilige Vater wohlauf?«
    »Seiner Heiligkeit geht es gut, Schwester«, sagte Giulia.
    Sofort wich die Sorge aus Reginas Gesicht. »Und was hast du hier zu schaffen? Solltest du nicht in dieser schweren Stunde bei Seiner Heiligkeit sein?«
    »Seine Heiligkeit ruht und ist von der Garde umgeben«, sagte Giulia. »Monsignore Gazetti gab mir die Anweisung, Mutter Prudenzia nach Aufgaben für mich zu fragen, sollte der Heilige Vater meine Dienste nicht benötigen. Doch finde ich die Mutter Oberin nirgends.«
    »Soso«, sagte Regina und starrte Giulia geringschätzig an. »Geh in die Gärten und hilf Schwester Fulvia. Wird’s bald?«
    »Sehr wohl, Schwester«, sagte Giulia und eilte davon.
    In den Gärten hinter dem Petersdom musste sie nicht lange suchen. Fulvia saß neben dem alten Pippo in einem Rosenbeet und schnitt frische Blumen.
    Das gleißende Licht der Sonne tauchte die Welt um sie herum in ein Farbenmeer. Es roch nach Rosen, Nelken und Narzissen, Vögel sangen in den kurz geschnittenen Olivenbäumen, und Bienen summten umher. Der prachtvolle Anblick dieses Gartens ließ Giulia den Schrecken, den sie kurz zuvor durchlebt hatte, schnell vergessen.
    »Schwester Giulia!«, rief Fulvia und winkte ihr lachend zu.
    Zumindest einen Menschen gab es in Rom, der über ihr Erscheinen ehrliche Freude zeigte. »Schwester Regina trug mir auf, euch zu helfen.«
    »Helfen, ja helfen«, brabbelte der alte Pippo und gab ihr eine Rosenschere. »Dort! Schöne Rosen!« Er zeigte auf einige Sträucher mit kräftigen roten Blüten.
    Dankend nahm Giulia die Schere entgegen und setzte sich neben Fulvia auf die trockene Erde.
    »Ich habe bereits gehört, was geschehen ist«, sagte Fulvia und reichte Pippo einen Bund Rosen, den dieser geschickt zu einem wunderschönen Strauß band. »Gott sei es gedankt, dass niemandem ein Leid zugefügt wurde.«
    Giulia lächelte dankbar und beobachtete Pippo. Sie hoffte, noch einmal dieses Aufblitzen eines klaren Geistes in seinen Augen zu sehen, aber er stammelte nur wirres Zeug.
    »Der Mensch mit dem reinsten Herzen in ganz Rom«, sagte Fulvia.
    Giulia fühlte sich ertappt und schaute schnell weg. Es war nicht ihre Absicht gewesen, den alten Mann anzustarren. Dennoch war sie neugierig. »Was ist mit ihm? Leidet er an einer Krankheit?«
    »Nein«, sagte Fulvia. »Angeblich soll eine Gewehrkugel in seinem Kopf stecken. Seit nunmehr über vierzig Jahren.«
    »Erzähl mir davon«, bat Giulia und legte gespannt den Kopf schräg.
    »Es heißt«, begann Fulvia, »Pippo sei einst ein neapolitanischer Reiter gewesen. Ein tapferer Mann voller Stärke und Stolz. Im Schmalkaldischen Krieg sollen er und seine Neapolitaner gemeinsam mit spanischen und ungarischen Husaren den deutschen Kurfürsten Johann Friedrich in der Schlacht bei Mühlberg gefangen genommen haben. Doch ein sächsischer Schütze aus der Leibgarde des Kurfürsten gab noch einen letzten Schuss ab und traf den armen Pippo. Mit Gottes Hilfe überlebte er, und doch hat sein Leben an diesem Tage geendet.«
    »Wie furchtbar«, sagte Giulia und sah Pippo mitfühlend an, der von der Unterhaltung nichts zu begreifen schien.
    »Aus Dankbarkeit für seine Treue und Tapferkeit holte Papst Paul ihn nach Rom«, sprach Fulvia weiter, »und gab ihm Arbeit in diesen wundervollen Gärten.«
    »Wunderschöne Gärten«, bestätigte Pippo, während er ein neues Bukett anfertigte.
    »Versteht er, was wir sagen?«, fragte Giulia.
    »So viel, wie er will«, antwortete Fulvia.
    »Es erfüllt mich mit Freude«, sagte Giulia, »euch hier kennengelernt zu haben.«
    »Es muss sehr einsam für dich sein in Rom«, sagte Fulvia.
    Giulia nickte stumm.
    »Sei gewiss, das vergeht«, tröstete Fulvia ihre Mitschwester. »Luther bezeichnete Rom einmal als die Hölle und den Papst als ihren Fürsten. Manchmal denke ich, er hatte nicht ganz unrecht

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