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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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damit.«
    Erschrocken legte Giulia ihr eine Hand auf den Mund. »So darfst du nicht sprechen.«
    Fulvia lachte und schob die Hand sachte fort. »Hier belauscht uns niemand. Und der gute Pippo wird uns nicht verraten.«
    Dennoch fühlte Giulia sich unwohl.
    »Rom und vor allem der Vatikan unterliegen eigenen Gesetzen und Ritualen«, sagte Fulvia. »Man spricht von fünf goldenen Regeln, die man unbedingt zu befolgen hat, wenn man an diesem Ort überleben will. Erstens: Denke nicht . Zweitens: Wenn du denkst, rede nicht . Drittens: Wenn du denkst und redest, schreib nicht. Viertens: Wenn Du denkst und redest und schreibst, unterzeichne es nicht. Und fünftens: Wenn du denkst und redest und schreibst und es dann auch noch unterzeichnest, wundere dich nicht. «
    Giulia lachte auf. »Ich will versuchen, diese Regeln einzuhalten. Danke.«
    Fulvias Augen blickten ernst. »Es gibt viele böse Menschen hier. Hüte dich vor ihnen. Ihr Ansporn ist die Gier, und ihr Gefolge der Tod.«
    »Wie soll ich sie erkennen?«, fragte Giulia.
    »Sie lachen nicht. Niemals.«
    Wie zur Bestätigung begann Pippo, leise zu lachen.
    »Hast du je zuvor von der Engelsburg gehört?«, fragte Fulvia.
    »Ja«, sagte Giulia. »Es heißt, sie diene als Gefängnis.«
    »Nicht nur als Gefängnis«, sagte Fulvia. »Dort zeigt sich zu so manch später Stunde das Böse in Menschengestalt.«
    Giulia wusste nicht so recht, ob sie mehr darüber erfahren wollte. Eine eisige Hand schien nach ihrem Herzen zu greifen. Auf der anderen Seite konnten alle Informationen nützlich sein, die ihr halfen, ihren Auftrag zu erfüllen. So fragte sie: »Was geschieht an diesem Ort?«
    »Ich zeige es dir«, sagte Fulvia mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Schon bald.«
    Giulia beschloss, ihre Neugier zu zügeln, und fuhr fort, Rosen von den Sträuchern zu schneiden.
    »Aber es gibt auch gute Menschen hier.«
    »Capitano Geller?«, fragte Giulia und spürte, wie sie errötete.
    Fulvia tat so, als bemerke sie es nicht. »Du hast den Capitano bereits kennengelernt?«, sagte sie. »Ich weiß von so mancher Schwester, die des Nachts in ihrem Bette liegt und voller Sehnsucht nach ihm …«
    »Ja, gewiss«, unterbrach Giulia hastig. Sie wollte keineswegs wissen, was die Schwestern nachts in ihren Zellen taten. Schon gar nicht, wenn es dabei um Francesco Geller ging.
    »Fertig«, sagte Pippo und legte einen Strauß Rosen auf seinen Karren, der voller Blumen in der Sonne stand.
    Fulvia half Giulia auf die Beine. »Verteilen wir die Blumen. Auf dass ihre Pracht den Glanz des Vatikans überstrahlen möge.«
    Giulia ging neben ihrer Mitschwester zurück in die Kirche. Und der alte Pippo trottete mit seinem quietschenden Karren fröhlich brabbelnd hinter den beiden her.

12
    Kardinal Primo Pozzi saß in seinem Palazzo und wartete. Nur zwei Diener, die einen kleinen Raum neben der Küche im Erdgeschoss bewohnten, befanden sich zu dieser späten Stunde noch im Haus.
    Pozzi schlich aufgeregt in seinem Schlafgemach umher. Er trug edle Gewänder aus feinster Seide, sein Gesicht war frisch rasiert und parfümiert mit orientalischen Düften. Das Schlafgemach war dekoriert mit unzähligen Putten. Die kleinen dicken Engelchen schmückten Wände und Decke. So war es nicht verwunderlich, dass das Wappen der Familie Pozzi, das über dem Baldachin des breiten Bettes aufragte, ebenfalls von einem Engel verziert wurde. Nur dass dieser Engel kein niedliches Puttengesicht trug, sondern grimmig dreinschaute und mit Schild und Schwert bewaffnet war.
    Pozzi wurde allmählich ungeduldig. Immer wieder ging er zu den Fenstern, durch die das Mondlicht drang, und schaute auf die verlassene Straße. Dann prüfte er, ob die Kerzen fest in ihren Halterungen saßen, besah sich sein Antlitz in einem goldgefassten Spiegel und ging erneut rastlos umher.
    Endlich klopfte es. Einer der Diener öffnete die Tür. »Euer Gast ist soeben eingetroffen«, sagte er.
    Ein letzter Blick in den Spiegel, das Gewand gerichtet, dann bat Pozzi den Gast herein.
    Der Diener schob einen Knaben durch die Öffnung, der kaum älter als dreizehn Jahre alt sein mochte. Der Junge kam barfuß und in schäbigen Kleidern. Er war schlank, hatte gelocktes schwarzes Haar und große dunkle Augen, die wie der Sternenhimmel über Rom glitzerten. Und diese Augen starrten Pozzi angsterfüllt an.
    Pozzis feistes Gesicht zeigte ein Lächeln. »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er betont gefühlvoll. Seine Erregung vermochte er kaum zu

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