Die Tochter des Kardinals
»Unlängst gab ich Order, unverzüglich für Ersatz zu sorgen.«
Die Augen des Heiligen Vaters verengten sich. »Und wann, meint Ihr, steht dieser Ersatz bereit?«
Fontana griff unter seine weiße Halskrause und öffnete die obersten Knöpfe seines Wamses. »In etwa drei Monaten, Euer Heiligkeit«, war die kaum hörbare Antwort.
»In drei Monaten?«, dröhnte der Papst, und es war, als stürze der Himmel ein. »Welchen Tag schreiben wir heute?«
»Den dreißigsten Juli im Jahre des Herrn 1589, Euer Heiligkeit«, antwortete Fontana.
»Gebt eine neue Order an die Steinbrüche mit folgendem Inhalt auf«, sagte der Papst. »Am dreißigsten August des Jahres 1589 erwartet der Architekt des Heiligen Vaters eine Lieferung Baumaterialien in ausreichender Menge und von bester Güte. Sollte diese Frist überschritten werden, oder sollten die geforderten Materialien unbrauchbar sein, dann erwartet jeden Steinmetz und jeden Aufseher in den Steinbrüchen der Tod durch den Strang. Gebt dies weiter in ebendiesen Worten, Fontana!«
»Aber, Euer Heiligkeit …«, protestierte Fontana kläglich.
»In ebendiesen Worten!«, wiederholte der Papst lauter.
Fontana ließ den Kopf hängen und bestätigte den Befehl.
Der Heilige Vater grunzte. »Und nun zeigt Uns die Fortschritte an diesem …« Er sah verächtlich auf die Mauern, die dereinst sein Grabmal umgeben sollten. »… diesem Monstrum!«
Fontana verneigte sich unterwürfig und wies demütig in das Grabmal hinein. »Wenn es Euer Heiligkeit belieben möge.«
Schnaufend schritt der Papst an Fontana vorbei. Drinnen umgab ihn und seine Begleiter diffuse Dunkelheit. Durch einzelne Bruchstellen im Gemäuer drang etwas Licht herein.
Fontana gab einem Steinmetz ein Zeichen, woraufhin dieser davonlief und kurz darauf mit Fackeln zurückkehrte. Gleich darauf erhellte sich das Innere des Grabmals.
»Was, im Namen des Herrn, ist das? «, erscholl die Stimme des Papstes. Er deutete an die gegenüberliegende Wand, wo genau in der Mitte eine große Vertiefung in den Stein eingefügt war. Sie war umgeben von weiteren Vertiefungen mit unfertigen Reliefs. Doch das, was den Papst derart erregte, zeigte sich in der mittleren Vertiefung. Eine kniende Marmorfigur als Porträt seiner selbst.
»Das«, sagte Fontana mit zitternder Stimme, »ist die Statue Eurer Heiligkeit des Meisters Valsoldo. Ein über die Maßen gelungenes Werk, wenn Euer Heiligkeit mir diese Bemerkung erlauben.«
Der Papst fuhr zornesrot herum. »Schweigt!« Er wandte sich erneut der Statue zu und ging näher heran. Mit beiden Händen befühlte er die Marmorfigur; strich über den Bart des mächtigen Bauernschädels und das wallende Gewand. » Meister Valsoldo«, sagte er voller Abscheu.
»Gewiss ist der Meister mit seiner Arbeit längst nicht fertig«, warf Gazetti rasch ein und schaute dabei Fontana auffordernd an.
Der verstand den Wink. »Oh nein!«, rief er aus. »War er doch selbst mit seinem Werk noch nicht zufrieden.«
»Genug von dem Geschwätz!«, sagte der Papst. »Wie lautet dein Urteil über diese Statue, mein Kind?«, fragte er Giulia.
»Wenn einst die Arbeiten daran beendet sind«, sagte Giulia, ohne lange zu überlegen, »wird sie sehr schön sein.«
Der Heilige Vater lachte auf. »Du gefällst Uns«, prustete er. »Du gefällst Uns ganz außerordentlich. Du bist keine von diesen devoten Speichelleckern. Und nun hinaus aus dieser Ruine!«
Zurück im Tageslicht deutete er auf das Bauwerk neben der unfertigen Kapelle. »Seht! Das Grabmal Papst Pius V. Das ist eine Totenstätte, die einem Papst würdig ist. Nehmt sie Euch zum Vorbild, Fontana. Und baut Uns etwas Ebenbürtiges!«
»Wie Euer Heiligkeit wünscht«, sagte Fontana und machte beinahe einen Kniefall.
Gemächlichen Schrittes ging der Papst zu den Toren der Basilika hinüber, sein Gefolge dicht hinter ihm. »Beten wir«, sagte er, während die Gardisten ihm öffneten.
Gazetti und die anderen Kirchenmänner schickten sich an, dem Papst zu folgen. Doch der hielt sie zurück. »Ihr nicht!«, sagte er und blickte mit gutmütigen Augen zu Giulia. »Nur du, mein Kind.«
Giulia spürte, wie sie errötete. Dass der Heilige Vater ihr diesen Vorzug gewährte, war ihr nicht recht. Die Blicke der hohen Würdenträger waren voller Unverständnis und Neid auf sie gerichtet. Sie drängte sich verlegen an ihnen vorbei und flüsterte: »Wie Euer Heiligkeit wünschen.«
Gleich darauf umgab sie die muffige Kühle der Basilika. Kerzen brannten und wiesen den
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