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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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bisher nichts getan, was diese Zuneigung rechtfertigte. Doch sie wischte ihre Bedenken beiseite und nickte dem Heiligen Vater zu.
    In der Zwischenzeit hatte Gazetti die Order des Papstes weitergegeben. Geleitet von vier Gardisten, verließ die kleine Gruppe die Gemächer und stieg die Stufen zum Petersplatz hinunter. Die Kutsche stand schon bereit. Davor saßen sechs bewaffnete Gardisten zu Pferde. Auch auf dem Kutschbock saß ein Gardist neben dem Kutscher, in den Händen trug er eine Muskete. Hinter dem prunkvollen päpstlichen Gefährt hatte ein Dutzend Gardisten zu Pferde Aufstellung genommen. Schließlich fuhr eine zweite, aber weniger prächtige Kutsche vor, in die mehrere Kleriker einstiegen. Gazetti und Giulia nahmen neben dem Heiligen Vater Platz.
    Über dem Papst, der in Fahrtrichtung saß, prangte sein goldenes Wappen auf rotem Samt. Die samtbezogenen Sitzbänke waren dick gepolstert, und kleine Vorhänge schützten die Insassen vor neugierigen Blicken.
    Der Tross setzte sich nach einem Kommando des befehlshabenden Gardisten in Bewegung. Staub wirbelte auf, und das gleichmäßige Rollen der Räder auf dem Pflaster erfüllte das Innere der Kutsche.
    »Gab es bisher Gelegenheit für dich, die Basilika Santa Maria Maggiore zu besuchen, mein Kind?«, fragte der Papst plötzlich.
    »Leider nicht, Euer Heiligkeit«, antwortete Giulia.
    Lächelnd lehnte er sich zurück und zog die Vorhänge zu. Er schloss die Augen und schien sogleich einzuschlafen.
    Giulia schaute zu Gazetti, der allerdings nur Augen für die Dokumente auf seinem Schoß hatte.
    Nach einer eintönigen Fahrt in der überhitzten Kutsche erreichten sie endlich ihr Ziel. Sofort schlug der Papst die Augen auf und stieg aus der Kutsche. Die Gardisten sprangen von den Pferden und sicherten den Heiligen Vater nach allen Seiten ab.
    Die Basilika glänzte in der sengenden Mittagssonne. Der würzige Duft von Akazien erfüllte die Luft. Die Kirche erwies sich als ein gewaltiger Bau, der eher dem Palazzo eines Kardinals oder Patriziers glich. Nur der bis in den Himmel reichende Glockenturm verriet die wahre Bestimmung des doppelgeschossigen Gebäudes. Unzählige quadratische Fenster ohne jeden Farbstrich umrahmten das breite Eingangsportal, das von mächtigen Säulen gesäumt war. Weit darüber ragte eine Statue der Mutter Gottes mit dem Jesuskind in den Händen. Sie war umrahmt von vier weiteren Statuen. Vor der Basilika öffnete sich ein breiter Platz, an dessen Ende eine fünfzig Fuß hohe Säule zum Himmel strebte.
    Geleitet von einem Dutzend Gardisten, stapfte der Papst um die Fassade herum auf die rechte Seite. Hier fiel eine Kapelle ins Auge, die unzweifelhaft jüngeren Datums war und an der zwei Maurer kleinere Arbeiten durchführten. Zu beiden Seiten der Kapelle waren zwei Anbauten zu erkennen. Der linke war voluminös und reich verziert mit prächtigen Statuen, der rechte befand sich noch im Rohbau. Der Papst ging geradewegs darauf zu. Dabei schnaufte er wie ein Flusspferd. Mit jedem Schritt schien sein Zorn größer zu werden.
    Vor dem unfertigen Grabmal standen zwei Steinmetze, die schwitzend die gelieferten Steine bearbeiteten. Daneben stand ein schlanker, in bestes Tuch gekleideter Mann mit Winkelmaß in der Hand und sah auf eine Bauzeichnung. Giulia vermutete, dass dies der Architekt Fontana war.
    Sie sollte recht behalten.
    »Fontana!«, schrie der Papst aus mehr als zwanzig Schritt Entfernung. Seine donnernde Stimme ließ den Architekten herumfahren.
    »Euer Heiligkeit!«, rief Fontana. Vor Schreck fielen ihm Winkelmaß und Zeichnung aus den Händen auf den staubigen Boden.
    Dann prasselte ein Donnerwetter auf den Baumeister nieder. »Uns ist zu Ohren gekommen, dass die Bauarbeiten an Unserem Grabmal nur schleppend vorankommen. Erklärt Uns, welches die Ursachen dafür sind. Erklärt Euch auf der Stelle, Fontana!«
    Nur allmählich gewann Fontana die Fassung wieder. »Der Marmor, Euer Heiligkeit«, stieß er hervor. »Er ist von minderer Güte. Hier, seht selbst.« Er gab einem der Steinmetze ein Zeichen, woraufhin dieser fest auf eine Marmorplatte schlug. Sie zersprang in tausend kleine Stücke. Fontana nahm einen Stein vom Boden auf und zerbröselte ihn mit den Fingern. »Und seht! Der Kalkstein ist porös wie die Zähne eines alten Weibes.«
    »Nennt Uns den Schuldigen für diese ungeheure Nachlässigkeit!«, verlangte der Papst.
    »Die Arbeiter in den Steinbrüchen müssen unachtsam gewesen sein, Euer Heiligkeit«, sagte Fontana.

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