Die Tochter des Kardinals
Stolz. Sollte ich erfahren, dass du es mit einer anderen Frau getrieben hast, ergeht es dem kleinen Kardinal schlecht.« Sie warf einen Blick zwischen seine Beine, drehte sich um und schritt stolz wie eine römische Kaiserin aus längst vergangenen Tagen aus dem Gemach.
Vor der Tür blickte sie sich suchend um. »Schwester Giulia!«, rief sie, und die Nonne wandte sich abrupt um.
»Contessa!«, sagte Giulia überrascht.
»Verzeiht, dass ich Euch aufhalte«, sagte Allegra. »Doch kenne ich Euer Gesicht noch nicht, und so nehme ich an, Ihr seid erst seit Kurzem in Rom. Ich möchte Euch gern kennenlernen.«
»In der Tat«, Giulia lächelte, »ich bin erst vor wenigen Wochen in Rom angekommen.«
Allegra erwiderte das Lächeln und lud Giulia zu einem kleinen Spaziergang ein. »Nur, wenn ich Eure Zeit nicht stehle«, sagte sie.
Giulia verneinte, und die Frauen gingen in die Gärten.
»Sagt«, bat Allegra, während sie an süßlich duftenden Rosen und Geranien vorbeischlenderten, »woher stammt Ihr? Aus Rom gewiss nicht.«
»Nein«, antwortete Giulia. »Ich stamme aus Giulianova. Mein Kloster heißt Santa Annunziata.«
»Aus der Mark Ancona?«, fragte Allegra. »Ihr habt die gleichen Wurzeln wie Seine Heiligkeit.«
Giulia nickte. »Wo liegt Eure Heimat?«, wollte sie wissen.
Lachend warf Allegra den Kopf in den Nacken und entblößte zwei Reihen glänzend weißer Zähne. »Ihr steht darauf.«
Giulia schaute sich verwirrt um. »Ihr stammt aus dem Petersdom, Contessa?«
Wieder lachte Allegra auf. »Nein, ich bin eine Römerin von der strahlenden Haube bis zu den verstaubten Schuhen.«
»Verzeiht«, sagte Giulia. »Ich bin ein wenig … verwirrt.«
»Oh nein«, warf Allegra ein. » Ihr müsst verzeihen. Ich unterziehe Euch einem Verhör, und Ihr kennt mich nicht einmal.« Sie spannte den Sonnenschirm auf und bewegte leicht den geöffneten Fächer. Wie eine wahre römische Aristokratin aus uraltem Geschlecht sieht sie aus, dachte Giulia.
»Ihr seid mit Seiner Eminenz Kardinal Carafa bekannt«, sagte Giulia. »Ich hege keinerlei Zweifel an Eurer Person, Contessa.«
Sie kamen an Pippo vorbei, der Rosen schnitt und den Frauen keine Beachtung schenkte. Giulia grüßte ihn freundlich. Er sah kurz auf und widmete sich wieder seinen Blumen.
»Sagen wir, der Kardinal und ich sind in einer Art verwandtschaftlicher Beziehung verbunden«, erklärte Allegra. »Doch scheint er auch Euch wohlbekannt zu sein.«
Giulia schüttelte den Kopf. »Nein, das lässt sich so nicht sagen. Aber ich bin auf sein Geheiß in Rom.«
»So kanntet Ihr ihn schon vorher?«
»Mitnichten, Contessa.«
»Hm«, machte Allegra. »Was veranlasste den Kardinal, Euch nach Rom zu beordern, obwohl er Euch nicht kannte?«
»Man empfahl mich«, antwortete Giulia. »Ich diene dem Heiligen Vater höchstselbst, seit die letzte Dienerin einem Mordanschlag zum Opfer fiel.«
»Gewiss sind Eure Eltern sehr stolz auf Euch, dass Ihr dem Heiligen Vater so nahe seid.«
»Ich habe keine Eltern mehr«, sagte Giulia. »Meine Mutter starb bei meiner Geburt, und mein Vater ist unbekannt.«
»Ich verstehe«, sagte Allegra. Nachdenklich sah sie Giulia an. »Ich will Euch nicht noch mehr Eurer kostbaren Zeit stehlen, liebe Schwester. Ich wünsche Euch einen guten Tag. Bestimmt sehen wir uns wieder.«
»Auch ich wünsche Euch einen guten Tag, Contessa«, sagte Giulia.
Allegra wandte sich um und verließ eilig den Garten. Zurück blieb eine verwirrte Giulia.
Am Nachmittag, Giulia dachte noch immer über die seltsame Begegnung mit der Contessa nach, traf sie auf Fulvia, die im ersten Stock des Petersdoms den Boden schrubbte. Giulia nahm eine Bürste und hockte sich dicht neben sie.
»Hast du gut geschlafen?«, raunte Fulvia ihr zu und grinste breit.
Das Grinsen gefiel Giulia ganz und gar nicht. Hätte man sie vergangene Nacht erwischt, wären sie vermutlich bereits tot. »Ich weiß nicht, was dich so erheitert«, sagte sie.
»Ach«, sagte Fulvia. »Spiel nicht die Beleidigte. Es war doch ein herrlicher Spaß. So etwas bekommst du in deinem Kaff dein ganzes Leben lang nicht geboten.«
Giulia lächelte gequält. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich da wirklich etwas verpasst hätte.« Sie tauchte die Bürste in den Eimer, dass das Wasser aufspritzte.
»Du hast Kardinal Pozzi in der nächtlichen Gesellschaft erkannt, nicht wahr?«, fragte Fulvia. »Woher kennst du ihn?«
»Ich habe ihn schon einmal bei Kardinal Carafa gesehen«, sagte Giulia.
»Dem illustren
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