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Die Tochter des Kardinals

Die Tochter des Kardinals

Titel: Die Tochter des Kardinals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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verbissen. Während die Menge eifrig und laut mitzählte, nahmen sie sich eine Hure nach der anderen vor. Beide waren inzwischen bei Nummer sieben angelangt, da ließ bei dem einen die Kraft nach. Er mühte sich, aber als er sah, dass sein Kontrahent schon zur achten Hure wechselte, gab er weinend auf. Die Gäste stürmten auf die Tanzfläche und ließen den Sieger hochleben. Die Musiker spielten eine pompöse Caccia.
    Schon kehrte der Sultan zurück, in den Händen trug er den Pokal. Er überreichte ihn dem erschöpften, dennoch strahlenden jungen Helden mit den Worten: »Dem König des Abends. Dem standhaftesten Manne Roms!«
    Jubel brandete auf.
    »Und nun«, rief der Sultan feierlich, »herunter mit den Masken!« Er nahm seinen seidenen Turban ab und legte ihn auf den Boden. Dann schob er die Maske vom Gesicht.
    »Jesus Christus!«, entfuhr es Giulia. »Kardinal Carafa!«
    In der Tat. Es war Callisto Carafa, der an diesem Abend den Zeremonienmeister gegeben hatte. Nun stand er nackt da, schwitzend und grinsend wie Luzifer am Höllentor.
    »Es ist Zeit«, sagte Fulvia. »Wir müssen gehen.«
    Giulia konnte sich kaum von dem Anblick lösen. Doch Fulvia verschloss den Spalt und öffnete die Tür. Kaum fiel der erste Lichtstrahl der Fackeln in den Verschlag, schrie Fulvia panisch auf und fuhr zurück. Giulia schaute an ihr vorbei, und auch sie schrie auf.
    Vor ihnen stand eine mickrige Gestalt mit grauem Haarkranz und faltigem Kugelbauch. Sein steifes Gemächt ragte wie eine Lanze hervor. Seine langen Finger griffen gierig nach Fulvia. »Nonnenkostüme«, hechelte er mit Fistelstimme. »Welch formidable Idee!«
    Fulvia schlug schreiend um sich und wich noch weiter zurück.
    »Du wehrst dich, Hure?«, keifte der Alte. »Dir werd’ ich helfen!« Er holte aus und hieb Fulvia eine Faust ins Gesicht. Sie stürzte zu Boden. Gleich darauf schlug der Alte noch einmal zu. Dann fiel er auf die Knie und schob den Saum ihres Habits hoch.
    Giulia war wie erstarrt. Erst als sie sah, dass er die Tracht bis über Fulvias Hüften schob, griff sie ein. Sie sprang vor und stieß den Alten an den Schultern zurück, sodass dieser auf seinen knochigen Hintern fiel.
    Schnell rappelte er sich wieder auf. Unbändige Wut stand in seinen rot geäderten Augen. »Wartet nur, ihr widerspenstiges Hurenvolk!« Mit einem Schrei warf er sich auf Giulia.
    Doch mitten in der Bewegung ging eine Veränderung mit ihm vor. Er hielt inne und sah die Nonnen mit verständnislosem Blick an. Erst rann nur ein Blutstropfen über seine Lippen und den dürren Hals, dann folgte ein ganzer Schwall dunkelroten Blutes. Er begann zu zittern und sah an sich hinunter. Etwa in Höhe seines Bauchnabels wölbte sich die schlaffe Haut vor. Es war, als würde ein Sattelmacher eine Nadel durch zähes Leder treiben. Einen Atemzug später drang die Spitze eines Degens an jener Stelle aus dem Körper heraus. Mit einer seltsamen Mischung aus Vorwurf und Enttäuschung auf dem Gesicht kippte der Alte nach vorn und blieb tot liegen.
    Im Eingang zu dem geheimen Verschlag stand Capitano Geller, in der Rechten den blutigen Degen. Die andere Hand reichte er Giulia. »Kommt!«, sagte er ohne Tadel in der Stimme. »Rasch!«
    Geführt von Geller liefen Giulia und Fulvia den Weg zurück, den sie gekommen waren. In der Halle spielte noch immer Musik, unterbrochen von Gelächter und johlenden Rufen. Ungesehen gelangten sie zu dem Fenster, durch das sie zuvor gestiegen waren. Geller half den Nonnen hindurch und folgte ihnen.
    »Wie habt Ihr uns gefunden?«, fragte Giulia, während sie leise um das Gebäude schlichen.
    »Ich bin Euch gefolgt, seit Ihr die Burg betreten habt«, sagte Geller und lächelte verbissen.
    »Und doch habt Ihr uns gewähren lassen?«, fragte Fulvia. »Es wäre für Euch und Eure Männer ein Leichtes gewesen, uns zu fangen.«
    »Ich sah keinerlei Gefahr in Eurem Tun«, sagte Geller. »Zudem war ich neugierig, was Euch zu dieser Stunde auf die Burg führte. Mir scheint, Ihr wisst mehr über die Geschehnisse an diesem Ort als mancher Kardinal.«
    Fulvia schluckte, antwortete aber nicht.
    »Nicht mehr lange«, sagte Geller, »und man wird den Toten finden.«
    Und in diesem Augenblick erscholl ein gellender Schrei durch die Burg. Gleich darauf hörten sie Fußgetrappel. Irgendjemand rief Befehle.
    »Ihr hattet recht«, sagte Giulia.
    Sie blickten zurück und sahen ein gutes Dutzend Gardisten aus dem Gebäude kommen.
    »Verdammt!«, stieß Geller hervor und schaute die Nonnen

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