Die Tochter des Kardinals
wollt als Diener hineingelangen und Schwester Giulia als … sagen wir, weibliche Gastgeberin. Verzeiht, aber Ihr seid verrückt. Der Vatikan ist ein Tollhaus!«
»Unser Plan wird gelingen«, sagte Fulvia. »Wir müssen unbedingt an Kardinal Pozzis Schlüssel gelangen.«
»Und Ihr glaubt, er händigt ihn Euch einfach aus?«
»Ihr wisst«, sagte Fulvia, »der Kardinal ist ein äußerst berechenbarer Mann, und so gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, ihm den Schlüssel abzunehmen.«
»Sobald er den Diebstahl bemerkt, schlägt er Alarm und rennt heim«, gab Geller zu Bedenken.
»Daher müssen wir dafür sorgen, dass er es nicht bemerkt«, gab Fulvia zurück. »So lange, bis wir die Beweise haben.«
»Schon für diese Unterhaltung könnten wir alle auf dem Scheiterhaufen enden«, sagte Geller und blickte verzweifelt auf die Utensilien, die vor ihm auf dem Tisch standen.
»Ich bin bereit«, sagte Giulia, die sich zum ersten Mal an der Unterhaltung beteiligte, »mein Leben zu geben, um den Heiligen Vater zu beschützen. Und Ihr habt gar einen heiligen Schwur geleistet, dies zu tun.«
»Legt mir Beweise für eine Verschwörung der Kardinäle Carafa und Pozzi vor, die das Ziel hat, Seine Heiligkeit zu ermorden, und ich lasse beide unverzüglich festnehmen.«
»Aber diese Beweise befinden sich in Pozzis Besitz«, sagte Giulia.
»Dann kann ich Euch nicht helfen«, sagte Geller, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
Giulia beugte sich zu ihm vor. So weit, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte wie eine leichte Sommerbrise. »Ihr müsst uns helfen, das Leben des Heiligen Vaters zu retten«, hauchte sie. »Ihr müsst, Francesco. Ich bitte Euch.«
Der Widerstand des Capitanos der Schweizergarde schmolz dahin. »Also gut«, sagte er und ließ resignierend den Kopf hängen. »Ich gewähre Euch offiziell Einlass in die Engelsburg. Doch sobald Ihr drinnen seid, seid Ihr auf Euch allein gestellt.«
Giulia und Fulvia jubelten, und beinahe wären sie Geller um den Hals gefallen, doch dieser wehrte ab. »Versprecht mir, auf Euch Acht zu geben. Werdet Ihr enttarnt, kann ich nichts mehr für Euch tun.«
Die Schwestern versprachen es, dankten Geller überschwänglich und verließen die Räume der Garde.
17
Die nächsten Wochen verliefen ereignislos. Giulia diente dem Heiligen Vater, erledigte die Aufgaben, die Mutter Prudenzia oder Schwester Regina ihr auftrugen, und schrieb Briefe an Mutter Rufina in Santa Annunziata. Und sie erstattete Kardinal Carafa regelmäßig Bericht. Allein in diesem Punkt unterschieden sich ihre Gewohnheiten. Sie erzählte Carafa nicht mehr alle Einzelheiten aus dem Leben des Papstes. Zwar wusste sie nicht mit Bestimmtheit zu sagen, dass Carafa und Pozzi gemeinsame Sache gegen den Heiligen Vater machten, doch bis sie den Beweis in Händen hielt, dass Carafa unschuldig war, wollte sie sich ein wenig zurückhalten. Zumindest so weit, dass es dem Kardinal nicht auffiel.
Zwischen dem Papst und ihr hatte sich eine Art Freundschaft entwickelt, die allerdings ausschließlich vom Heiligen Vater ausging. Freundschaftliche Gefühle für einen Mann zu empfinden, der auf dem Stuhl Petri saß, das konnte sich Giulia einfach nicht vorstellen. Auch störte sie sich an der gönnerhaften Schwatzhaftigkeit Seiner Heiligkeit, die schnell in Boshaftigkeit anderen gegenüber umschlagen konnte. Es schien ihr geraten, auch bei diesem heiligen Mann ein gewisses Maß an Vorsicht walten zu lassen.
Der Herbst hielt Einzug, und in den Gärten gab es allerlei zu tun. Giulia genoss die Zeit zwischen Blumen, Bäumen und Sträuchern gemeinsam mit Pippo und Fulvia. Es war schön, unter freiem Himmel zu sein, die Luft roch würzig und frisch. Ganz anders als in den muffigen Gängen und Sälen des Petersdoms. Hin und wieder wurde Giulia von tiefer Trauer ergriffen, wenn sie und Fulvia Späße trieben und scherzten, während Pippo nur grinsend und Unverständliches brabbelnd seine geliebten Rosen schnitt. Welche Wunder der menschliche Geist hervorzubringen vermochte, wenn er im Licht stand, und wie sehr er verkümmern konnte, wenn er umnachtet war, sodass selbst ein Hund größere Verstandeskraft besitzen mochte!
Im Petersdom und dem ganzen Vatikan kannte Giulia sich inzwischen gut aus; und auch Rom wurde ihr zusehends vertrauter. Sogar die Fahrten zu den Katakomben, in denen die Aussätzigen lebten, erfüllten sie mit demütiger Freude. Sie konnte den armen Seelen helfen, und sie fürchtete sich nicht mehr davor,
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