Die Tochter des Kardinals
steht es mit Euch?« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, biss sie sich auf die Zunge.
Er lachte. Und dieses Lachen brachte Giulia auf die Spur des Mannes, der hinter der Maske steckte. »Verzeiht, wenn ich etwas Falsches gesagt habe«, sagte sie.
»Mitnichten«, sagte er. »Doch einer Frau wie Euch bin ich an diesem Ort noch nicht begegnet. Die Damen , die uns hier die Ehre geben, stellen keine Fragen, es sei denn, die Antworten drehen sich um Gold.«
Die Art, wie er Gold sagte, brachte ihr die Gewissheit, zu wem diese dunkle, unangenehme Stimme gehörte. Es traf sie wie ein Schlag ins Genick, und es kostete sie allergrößte Anstrengung, nicht fortzulaufen, so schnell und so weit sie nur konnte. Der Mann in den Gewändern eines Königs war Kardinal Callisto Carafa. Daran bestand keinerlei Zweifel mehr. Giulias Hände begannen zu zittern. Wein ergoss sich auf den Boden.
»Was ist mit Euch?«, fragte Carafa. »Fühlt Ihr Euch nicht wohl?«
»Gewiss«, beeilte sich Giulia zu sagen. »Dieses Fest ist nur ein wenig ungewohnt für mich.«
Carafa lachte auf. »Ihr werdet in ganz Rom nichts Vergleichbares finden.«
»Zweifellos«, sagte Giulia. Stumm betete sie, dass Carafa endlich von ihr abließ.
»Ich habe eine Bitte an Euch«, sagte Carafa und rückte näher.
»Sprecht.«
»Gewährt mir die Gunst, später, wenn das Fest seinen Höhepunkt erreicht, der Erste zu sein, dem Ihr Eure Dienste angedeihen lasst.«
Übelkeit kroch in Giulia hoch. Mit einem leichten Würgen im Hals entgegnete sie: »Euer Wunsch soll sich erfüllen.« Beinahe hätte sie noch Eminenz hinzugefügt.
Carafa verneigte sich und ging fort.
Erst jetzt spürte sie, dass ihre Beine zitterten.
Ein Diener mit einem Tablett, auf dem drei Gläser standen, trat auf sie zu. Gedankenverloren stellte Giulia ihr Glas ab und nahm ein neues.
»Wer war das?«, fragte der Diener unvermittelt.
Giulia erschrak erneut, aber als sie in das Gesicht des Dieners blickte, wäre sie ihm am liebsten um den Hals gefallen. »Fulvia!«, rief sie.
»Still!«, raunte Fulvia. Sie sah sich um, aber keiner der Umstehenden hatte etwas bemerkt.
»Es tut so gut, dich zu sehen«, sagte Giulia leise.
»Vergiss nicht, wo wir sind«, ermahnte Fulvia. »Mit wem hast du eben gesprochen?«
»Mit Kardinal Carafa«, antwortete Giulia.
Fulvia fuhr zusammen. »Hat er dich erkannt?«
Giulia schüttelte den Kopf. »Dann würde ich wohl kaum noch hier stehen und mit dir schwatzen.«
Fulvia grinste. »Ich bin auf der Suche nach Pozzi«, sagte sie. »Hast du ihn gesehen?«
»Nein«, sagte Giulia. »Und sein Platz blieb bislang leer.« Sie deutete auf den prächtigen Stuhl, auf dem Pozzi das letzte Mal gesessen hatte. »Wenn er nicht erscheint, schlägt unser ganzes Vorhaben fehl.«
»Oh«, sagte Fulvia, »er wird kommen. Da bin ich ganz sicher.«
»Ich hoffe nur, er lässt sich nicht mehr viel Zeit«, sagte Giulia. »Ich habe Angst, dass die Herren, wenn sie noch mehr Wein trinken, immer aufdringlicher werden. Wie soll ich mich ihnen auf Dauer entziehen?«
»Halte durch, bis das Spiel beginnt und er sich mit einem der Diener zurückzieht«, sagte Fulvia. »Ich muss jetzt gehen.«
»Bleib doch noch«, bat Giulia, die die Freundin um nichts in der Welt ziehen lassen wollte.
»Das ist unmöglich«, flüsterte Fulvia. »Das weißt du doch.«
Giulia nickte und sah Fulvia hinterher, die anderen Gästen Wein anbot und bald darauf aus ihrem Blickfeld entschwand.
Aus Unsicherheit und Angst, ein weiteres Mal angesprochen zu werden, verließ Giulia ihren Platz und schlenderte den Gang entlang, der um den großen Festsaal herumführte und an dessen einem Ende der geheime Verschlag war. Als sie dort ankam, sah sie, dass zwei Wachen davor postiert waren. So ging sie langsam wieder zurück.
Plötzlich betrat Pozzi den Saal. Der Kardinal war zwar maskiert, aber Giulia erkannte ihn sofort an seinem Körperumfang und an der schimmernden Glatze über der Maske. Sie folgte ihm unauffällig und beobachtete, wie er sich auf seinem Platz niederließ und lauthals nach Wein verlangte.
In diesem Augenblick spielten die Musiker zum Tanz auf. Wie eine Welle brach es hinter Giulia hervor, und eine krakeelende, schwitzende Menschenmenge schob sie mit sich auf die Tanzfläche. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie überhaupt nicht tanzen konnte. Ihr Mummenschanz würde nun unweigerlich auffliegen.
Die Meute stellte sich im Kreis auf. Im Takt der Musik bewegte sie sich drei Schritte nach links, drei
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