Die Tochter des Kardinals
nach rechts und drei zur Mitte hin. Dann löste sich der Kreis auf, und man stellte sich paarweise gegenüber.
Giulia fand sich vor einem Jüngling wieder, der eine Vogelmaske trug, die seinen Mund unverhüllt ließ. Die Lippen formten ein Lächeln, als er erkannte, dass Giulia die Tanzschritte nicht vertraut waren. Galant ergriff er ihre Hand, führte sie hoch und wieder hinunter, trat einen großen Schritt auf sie zu und wieder zurück und drehte sie im Kreis herum. Anschließend stellte er sich hinter Giulia, nahm ihre Hände und ließ die seinen an ihren Armen hinabgleiten, bis er ihre Brüste berührte und sie sanft drückte. Giulia schrie auf, doch plötzlich riss ein anderer Tänzer sie fort. So ging der Reigen eine ganze Weile, in der Giulia lernte, die Schritte zu beherrschen und die lüsternen Hände von ihrem Körper fernzuhalten.
Abrupt brach die Musik ab. Einige Paare lösten sich voneinander, andere nicht. Giulia beeilte sich, in den hinteren Bereich des Festsaales zu gelangen, und rang nach Atem. Erneut hielt sie nach Fulvia Ausschau. Sie fand sie unweit von Pozzi.
Carafa, immer noch in der Verkleidung eines Königs, betrat die Mitte der Tanzfläche. Nun wurde es ernst. Giulia musste mit allen Mitteln verhindern, dass man sie in das unsittliche Spiel hineinzog. Sie stellte sich hinter eine Säule und spähte dahinter hervor.
Carafa hielt in etwa dieselbe Rede wie beim letzten Fest. Auch das Spiel war ähnlich, nur dass die Huren dieses Mal nach Kirschen suchen mussten. Natürlich waren sie nackt.
Verzweifelt schaute Giulia zu Pozzi. Der Kardinal machte bisher keinerlei Anstalten, sich mit einem der Diener zurückzuziehen. Langsam spitzte sich die Situation zu.
Giulia musste nun handeln. Mit schnellen Schritten lief sie auf den Durchgang zu, der aus dem Festsaal hinaus führte. Da stolperte ihr ein betrunkener Mann entgegen und hielt sie fest.
»Wohin des Weges?«, lallte er.
»Ich komme gleich wieder«, sagte Giulia.
Sein Griff wurde stärker. »Man bezahlt dich nicht dafür, dass du auf dem Höhepunkt des Abends davonläufst!«
Ihren ganzen Mut zusammennehmend, schmiegte sie sich an ihn. Ihre Finger glitten durch sein schmieriges Haar. »Ich bin sogleich wieder da«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme. »Ich muss nur noch einmal kurz hinaus. Ihr versteht gewiss.«
»Also gut«, sagte er. »Doch bist du zurück, gehörst du als Erstes mir!«
»Gewiss«, hauchte Giulia. »Dann gehöre ich nur Euch allein.«
Er ließ von ihr ab. Rasch verließ Giulia den Saal. Auf dem menschenleeren Gang näherte sie sich heimlich dem Platz Pozzis.
Im Schatten, verborgen hinter einem Vorhang, beobachtete sie den Kardinal. Der Saal war erfüllt von den wollüstigen Schreien der Gäste und dem Applaus der Umstehenden. Pozzi saß wie eine fette Spinne in seinem Sessel und ließ sich Trauben und Wein reichen. Beides verschlang er voller Gier und ohne Maß.
Dann kam der Augenblick, auf den Giulia gewartet hatte. Einer der Diener hielt Pozzi ein Tablett mit gebratenem Huhn hin. Pozzi stieß es zur Seite und berührte stattdessen den Diener unsittlich. Der Diener wehrte sich, und erst jetzt erkannte Giulia den vermeintlichen Knaben: »Fulvia!«, stieß sie hervor.
Fulvia versuchte mit aller Kraft, sich gegen Pozzis gierige Hände zu erwehren. Schon stand der Kardinal auf, packte Fulvia an den Schultern und zerrte sie mit sich. Und niemand schien Notiz davon zu nehmen.
Pozzi schleppte Fulvia nach hinten in eine dunkle Ecke. Dort öffnete er eine unscheinbare Tür in der Wand und verschwand mit seinem Opfer dahinter.
Giulia musste nun rasch hinterher, um Fulvia vor dem Kardinal zu retten. Es war nicht auszudenken, was geschehen würde, sollte Pozzi den Körper einer Frau unter den Gewändern des Dieners finden.
Im Schutz der Dunkelheit, die in diesem Teil des Festsaales herrschte, schlich Giulia am kalten Mauerwerk entlang der Tür entgegen. Sie atmete dreimal tief durch, dann drückte sie die Klinke hinunter.
Ein leerer, kahler Raum empfing sie. Eine Talglampe baumelte an der Wand und spendete diffuses Licht. Giulia schloss die Tür. Ein schmaler Durchgang vor ihr führte in einen weiteren Raum. Dort strahlte es heller, und an der Wand sah sie den Schattenriss des Kardinals. Und nun hörte sie auch seine unangenehm näselnde Stimme.
»Wehr dich nicht, Bursche«, sagte der Kardinal. »Dann tut es auch nicht weh.«
Aus Fulvias Kehle drang kein Laut. Giulia sah nur den Schatten ihrer Hände, die Pozzis
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