Die Tochter des Kardinals
wie heute. Hinzu kam, dass es die gierigen Blicke lüsterner Männer sein würden … Nein, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken!
Vor dem großen Hauptportal der Burg hatte sich eine Menschentraube gebildet. Geduldig warteten die Damen und Herren darauf, dass die Wachen ihre Legitimation kontrollierten und ihnen Einlass gewährten. Man zeigte sich in bester Laune, redete, lachte und scherzte miteinander. Wüsste Giulia es nicht besser, sie würde die Menschen für eine ganz gewöhnliche Gästeschar der römischen Aristokratie halten, die ein ganz gewöhnliches Fest zu feiern gedachten.
Langsam bewegten sich die Gäste vorwärts Richtung Tor. Giulia spürte die Blicke der Männer auf ihrem Körper. Es war, als risse man ihr das Gewand herunter und verlangende Finger berührten sie überall. Zwei Jünglinge lächelten ihr zu und verneigten sich. Ein fetter alter Mann leckte sich die wulstigen Lippen.
Mit zitternden Fingern setzte Giulia die Maske auf. Nun fühlte sie sich nicht mehr so nackt. Ohne auf die Umstehenden zu achten, ging sie auf das Tor zu, zeigte den Wachen die Rose, und man ließ sie in die Engelsburg ein.
Ein Diener eilte herbei und reichte ihr ein Glas blutroten Weines. Sie nahm es und hielt zugleich Ausschau nach Fulvia. Geller hatte recht: Die Diener waren in der Tat sehr jung und von knabenhafter Statur. Fulvia konnte sich gut unter ihnen verstecken, ohne sofort erkannt zu werden. Leider konnte auch Giulia sie nirgends entdecken. Sie betrat den Laufgang, der sich nach oben wand und auf die Spitze der Burg führte.
An diesem Abend hielten sich weitaus mehr Wachen in der Burg auf als bei ihrem ersten Besuch, und alle waren schwer bewaffnet. Trupps zu je sechs Mann patrouillierten auf dem Laufgang. Dabei schienen sie bemüht zu sein, sich unauffällig zu verhalten und die Gäste nicht zu stören.
Schnell vergaß Giulia die Gardisten und beäugte die Menschenschlange, die dem Ort der Festlichkeit zustrebte. Die Herren und die Huren schienen bester Laune zu sein. Vor ihr ging kichernd eine Hure, begleitet von zwei Männern, die beide ihre Hände unter ihr Gewand geschoben hatten und sie an Stellen berührten, über die Giulia lieber nicht nachdenken wollte. Im Licht der Fackeln konnte sie erkennen, wie die Frau immer wieder ihren Körper streckte und laut aufkreischte. Die Herren machten über ihren Kopf hinweg derbe Scherze.
Plötzlich vernahm Giulia die eindeutigen Geräusche eines kopulierenden Paares. Dann sah sie die beiden neben einer Kanone liegen. Die vorbeigehenden Gäste nahmen kaum Notiz von ihnen. Schnell schaute Giulia in eine andere Richtung und ging weiter.
Endlich erreichte sie ihr Ziel. Aus dem Festsaal dröhnten die Stimmen der Herren und das Lachen der Huren. Leise Musik drang an Giulias Ohren.
Als sie das Gebäude betrat, empfing sie der Geruch von Rosenduft und Schweiß. Er legte sich um ihren Kopf wie ein in heißes Wasser getränkter Schal. Ein Diener, es war wieder nicht Fulvia, reichte ihr ein Glas. Bemüht, nicht allzu verloren zu wirken, stellte Giulia sich neben eine Säule am Rande der Tanzfläche und betrachtete die Musiker, die am anderen Ende des Saales aufspielten. Sie ahnte, dass sich früher oder später ein Mann ihr nähern würde. Ihre Angst davor war groß, und sie überlegte sich, wie sie sich verhalten sollte, dass sie nicht auffiel. Wo in Gottes Namen steckte nur Fulvia?
Das Glas war schnell geleert, und rasch griff sie zum nächsten. Mit dem Gefäß in der Hand fühlte sie sich weniger allein und verlassen. Sie bemühte sich, stets zu lächeln, ohne dabei frivol zu wirken.
»Ich glaube nicht, dass ich Euch kenne«, sagte plötzlich eine dunkle Stimme in ihrem Rücken.
Giulia erschrak so sehr, dass ihr beinahe das Glas aus der Hand geglitten wäre. Sie fuhr herum und sah eine goldene Maske vor sich. Das Kostüm des Mannes glich dem eines Königs: rote Samthosen, ein silberfarbenes Wams, um die Schultern ein Umhang aus Hermelin. Die Krone auf dem Kopf und das Zepter in der Hand rundeten das Bild ab.
»Hat es Euch die Sprache verschlagen?«, fragte er.
Giulia glaubte, die Stimme zu erkennen, doch war ihre Aufregung zu groß, um darüber nachzudenken. »Verzeiht«, sagte sie. »Ich habe heute zum ersten Mal die Ehre, Gast dieses Festes zu sein.«
»Eine so schöne Frau«, sagte er. »Wie kommt es, dass man Euch bisher nicht eingeladen hat? Ein unverzeihlicher Fehler.«
»Ich halte mich erst seit Kurzem in Rom auf«, antwortete Giulia. »Wie
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