Die Tochter des Ketzers
Anders als sie, die sich beidem entgegengestreckt hatte, krümmte er sich jedoch, als würde es ihm Schmerzen bereiten. Dass sein Anblick erbärmlich sein musste, hatte Caterina auch im Grau ihres Gefängnisses erkannt. Erst jetzt wurde jedoch das ganze Ausmaß sichtbar: Sein Haar, schon immer ein wenig farblos, hatte jeden Glanz verloren und stand struppig vom Kopf weg wie ein Igelfell. Auf seinen Schläfen pochten Adern wie dunkle Geschwüre, und gleiche wucherten – wiewohl weniger runzelig – unter den Augen. Spitz stachen unter der löchrigen Kleidung seine Knochen hervor.
Er legte schützend die Hände über die Augen, als er erneut in Gaspares Richtung rief: »Ja, ich könnte ihm helfen, wenn du. willst!«
Gaspare fuhr herum, musterte ihn erstaunt, schien erst innewerden zu müssen, wen er da vor sich hatte.
»Was verstehst du davon?«, fragte er unwirsch.
Caterina trat vorsichtig näher, erstmals von Blicken getroffen, freilich misstrauischen statt anzüglichen.
Ray reckte seine schmerzenden Glieder und kniete sich zu dem röhrenden Mann, ohne auf Gaspares Frage zu antworten.
Wiewohl noch immer bleich, war er imstande, jene fachkundige Miene aufzusetzen, mit der er einst die vermeintlich kranke Faïs betrachtet hatte.
»Haltet ihn fest, damit ich ihn untersuchen kann!«, wies er die Männer an.
Unschlüssig blickten diese auf Gaspare, und auch jener zögerte lange, ehe er nickte und ihnen mit einer flüchtigen Handbewegung den Befehl gab, Rays Worten Folge zu leisten.
Ray befingerte abschätzend die ausgerenkte Schulter des Mannes, betrachtete dessen Wunden, wo ihn der berstende Mast getroffen hatte. Sie bluteten nicht nur, sondern zeigten obendrein offenes Fleisch.
»Sieht übel aus«, stellte er fest, kaum hörbar, weil der Leidende immer noch erbärmlich brüllte.
Caterina trat näher. Rays unerwartetes Erscheinen hatte ihr die Genugtuung angesichts der Schmerzen des Mannes zwar nicht gänzlich madig gemacht, aber mit Verwirrung durchsetzt. Sie begriff nicht, warum er gekommen war, und noch weniger vermochte sie zu entscheiden, ob er tatsächlich etwas von der Heilkunst verstand, wiewohl er sie doch ihres Wissens nach nur zum Betrug genutzt hatte. Konnte es sein, dass er in all den Jahren, da er sich wechselnd Apothecarius, Barberius oder Medicus nannte, etwas gelernt hatte?
So schnell wie Ray hier aufgetaucht war, hatte er wohl nicht lange darüber nachgedacht, was er tat. Was immer er sich davon erhoffte, konnte zugleich das Gegenteil bewirken.
Doch Ray schien von jenem Zweifel nicht berührt zu sein. Nachdem er erneut die ausgerenkte Schulter abgetastet hatte, blickte er zu Gaspare hoch. Seine Augen lagen in tiefen Höhlen, doch als er zu sprechen begann, klang er ein wenig wie der alte Ray – gewitzt, verschlagen und auf den eigenen Vorteil bedacht.
»Also, was ist? Soll ich ihm nun helfen, oder willst du lieber zuschauen, wie er verreckt?«, fragte er mit altbekannter Dreistigkeit. »Ich tu’s, wenn du mir und Caterina die Freiheit versprichst!«
Gaspares Blick, eben noch aufgebracht ob des Zwischenfalls, hatte sich wieder verschlossen, sein Körper in die starre, aufrechte Haltung zurückgefunden.
Leise, fast raunend gab er zurück: »Scheinst mir nicht in der Lage, Forderungen zu stellen. Wenn du weißt, was zu tun ist, dann fang damit an. Weigerst du dich, werfe ich dein Mädchen eigenhändig über Bord. Und dich gleich hinterher. Überleg dir’s also gut.«
Rays Lider zuckten unmerklich, und doch unterließ er das Reden nicht, nun, da er sich das erste Mal direkt an Gaspare wenden konnte.
»Es war nicht recht, uns zu versklaven. Die Kirche verbietet’s obendrein, Christen an Heiden zu verkaufen. Nur für den Fall, dass es das ist, was du planst.«
Gaspare blieb ausdruckslos. »Dann habe ich ja Glück, dass ich als König Peres Gefolgsmann bereits exkommuniziert bin. Weißt du übrigens, dass der König ein Fünftel des Gewinns als Steuer bekommt, wenn ich dich verkaufe?«
Langsam richtete sich Ray auf und starrte Gaspare ins Gesicht. »Schwöre, dass du’s nicht tust, und ich rette diesen Mann.«
»Du tust gut daran, diesen Mann so oder so zu retten«, erwiderte Gaspare mit gefährlichem Zischen.
Eine Weile maßen sie einander schweigend, ehe Ray schließlich als Erster seinen Blick senkte. »Nun gut, ich werde alles versuchen. Doch wenn er mit meiner Hilfe genesen sollte, so hoffe ich auf deine Dankbarkeit.«
Gaspare nickte wortlos und wandte sich ab. Nicht
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