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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Fall gehören sie dazu – und haben sie sich nicht längst durch absonderliches Verhalten verdächtig gemacht? Es heißt, sie wären dank eines kostbaren Schatzes unermesslich reich, doch sie stellen diesen Reichtum nicht wirklich zur Schau. Vielleicht ist’s so, dass sie sämtliches Vermögen dem Aufrührer übergaben, auf dass es dieser zu seinem Nutzen gebrauchen kann und ...«
    »Du kannst gehen!«
    Die Stimme durchschnitt ganz unerwartet meine Rede. Er hatte sich wieder abgewandt, sodass ich die Bewegung seiner Lippen nicht gesehen hatte.
    »Aber ...«
    »Ich sagte, du kannst gehen!«
    »Ich wollte nichts Schlechtes über Julia Aurelia sagen«, stammelte ich. »Sie ist ... sie ist immer freundlich zu mir gewesen. Aber ich dachte, du solltest wissen, was hier vorgeht ...«
    Er hatte mir seinen Rücken zugewandt, stand starr und aufrecht wie immer, und als ich vergebens auf eine Regung wartete, da beschlich mich das unangenehme Gefühl, mich noch nicht ausreichend erklärt zu haben, dass irgendetwas fehlte, ein wichtiges Detail, das ich ihm noch mitteilen sollte, wiewohl ich es selbst nicht kannte. Doch schließlich, nach unerträglich langem Schweigen, gewahrte ich, wie er den Kopf sinken ließ.
    »Scher dich fort!«, murmelte er.
    Offenbar wusste er genug.

Kapitel XIII.
Mittelmeer, Frühsommer 1284
    Das schauerliche Gebrüll, das ihr Gespräch unterbrochen hatte, klang unmenschlich. Es ließ selbst einen beherrschten Mann wie Gaspare zusammenzucken. Noch ehe Akil den Raum betrat, um – gelassen wie stets – zu berichten, was geschehen war, war er schon aufgesprungen, ließ sich von den Worten des Knaben nicht aufhalten, sondern ging mit zügigen Schritten hoch zum Deck.
    Caterina folgte den beiden, ohne darüber nachzudenken. Größer noch als der Widerwille, jene Stätte wieder aufzusuchen, wo die Männer sie geschändet hatten, war die Angst, ohne Gaspare oder Akil zurückzubleiben.
    Wieder durchquerte sie jenen knirschenden und ächzenden Schiffsbauch, nur dass sie diesmal nicht bis zum Vorderschiff gelangte, sondern schon früher eine Luke aufgestoßen ward. Augenblicklich breitete sich über ihr – erstmals seit Wochen – der blaue Himmel aus, glasklar und schneidend. Caterina zuckte zusammen. Der frische Meeresodem, die gleißende Sonne, die endlose Weite eines faltenlosen Meeres, auf dem Gaspares Galeere fast still zu stehen schien – desgleichen wie die zwei kleineren Schiffe, die Naves, die sie begleiteten und einen Teil der Handelswaren trugen –, all das traf sie mit ganzer Wucht. Nie hatte sie ihr Gefängnis als so beengend und nervenaufreibend empfunden wie der hin und her irrende Ray. Zu sehr war sie daran gewöhnt gewesen, über Jahre einen bestimmten Raum kaum zu verlassen. Jetzt plötzlich aber überkam sie eine Gier: die Gier zu schauen, endlich wieder Farben zu erfassen, nicht nur des Himmels Blau, auch das Rot und Grün, mit dem Teile des Schiffes bemalt waren, wie sie jetzt gewahrte. Gier schließlich nach dieser frischen, freien Luft, der unbefleckten Weite, dem Wärmenden, Lebendigen. Sie konnte kaum genug bekommen, tiefe, lange Atemzüge zu machen, ohne dass ihre Kehle von irgendetwas zusammengepresst war. Das Sonnenlicht, das sie heftig blendete, schien die grausamen Schreie, die jetzt noch lauter tönten als in Gaspares Kajüte, ebenso abzuwehren wie die Erinnerung an das, was hier mit ihr geschehen war.
    Vor aufdringlichen Blicken war sie obendrein gefeit, denn sämtliche Mannschaftsmitglieder bildeten einen Kreis um einen sich erbärmlich Windenden. Erst als sich ihre Augen an das pralle Licht gewöhnt hatten und ihre Lungen von der frischen Luft gesättigt schienen, vermochte Caterina zu erfassen, was geschehen war – und was Akil auch Gaspare zugetragen hatte. Es hätte keiner erklärenden Worte bedurft. Neben dem Hauptmast, groß und fest wie ein Baum gewachsen, der die Rah mit dem Großsegel trug und der an seiner Spitze von dem Mastkorb gekrönt ward, gab es einen zweiten, kleineren Mast am Vorderschiff, der jenes Segel trug, welches die Richtung anzeigte. Je nach Wetterlage wurde es ausgetauscht, und bei ebenjener Arbeit war es geschehen, dass das morsche Holz ob einer unbedachten, zu heftig ausfallenden Regung gebrochen und auf einen der Männer gefallen war. Offenbar hatte es ihm die rechte Schulter ausgerenkt, denn der Arm lag seltsam verdreht auf dem Boden.
    »Verdammt!«, zischte Gaspare. Es war nicht ersichtlich, was ihm die größere Unbill war: der gebrochene

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